Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
Taue. »Das war kein Messer. Da waren Ratten am Werk!«
Augenblicklich herrschte Totenstille.
»Was haben die denn auf einmal alle?«, hauchte Catalina Tao Te Chen zu.
»Wenn die Ratten die Taue annagen, ist das ein schlechtes Omen!«
Catalina überlief es kalt. Tatsächlich ereignete sich schon vor dem Morgengrauen das nächste Unglück: Die Sicht war durch den ununterbrochen niedergehenden Regen so eingeschränkt, dass sich zwei der direkt neben ihnen segelnden Schiffe rammten. Das kleinere versank in den Fluten. Nur sieben der ursprünglich achtundsiebzig Männer zählenden Besatzung konnten gerettet werden. Als der Erste Offizier das Ende der Rettungsaktion bekannt gab, weinte Catalina. Rasch zog Tao Te Chen sie in die Kombüse.
»Nun hör schon auf zu heulen, du dummes Weib!«, herrschte er sie an. »Ich habe dich gewarnt, dass das hier kein Sonntagsausflug wird, aber du musstest ja unbedingt mitkommen!«
Erst drei Tage später tauchte die Sonne hinter den schwarzen Wolken auf, und schließlich beruhigte sich auch das Meer. Lautlos glitt die Santa Maria nun dahin, die Männer atmeten auf, doch Zeit zum Ausruhen ließ der Erste Offizier ihnen nicht.
»Wir müssen jetzt erst einmal Ordnung machen. Wer weiß, wann wir in den nächsten Sturm geraten. Antonio, du überprüfst jedes einzelne Tau, mit deinen Verletzungen kannst du sowieso keine andere Arbeit übernehmen. Francisco soll dir dabei helfen.«
Da die beiden noch etliche angenagte Taue fanden, wurden fünf Matrosen zur Jagd nach den gefräßigen Nagern abgestellt. Bis zum Abend hatten die Männer ein Dutzend von ihnen erschlagen. Eigenhändig warf der Erste Offizier die toten Nager über Bord.
In den nächsten Tagen wurde die Stimmung an Bord deutlich besser. Die einfachen Matrosen waren davon überzeugt, dass mit dem Töten der zahlreichen Ratten auch der Fluch von dem Schiff genommen sei. Doch Tao Te Chen war anderer Meinung.
»Ich spüre, dass noch immer eine Bedrohung in der Luft liegt«, erklärte er und bat Catalina, in den nächsten Tagen besonders vorsichtig zu sein.
»Vorsichtig wobei?«, fragte sie, doch das konnte Tao Te Chen nicht sagen. »Bei allem, verdammt, bei allem!«
Wie meist seit ihrer Abreise saß Catalina auch an diesem Nachmittag in ihrer freien Stunde auf dem Vordeck, hielt ihr Gesicht der Sonne entgegen und wickelte dabei gedankenverloren eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Plötzlich tauchte Tao Te Chen vor ihr auf und befahl ihr, auf der Stelle in die Kombüse zu kommen.
Träge sah Catalina zu ihm hoch. »Tao, jetzt mach keinen Wind, wo das Wetter auch keinen mehr macht! Was ist denn? Ich sitze hier gerade so gemütlich.«
»Wenn ich sage: Runter in die Kombüse, dann meine ich: Runter in die Kombüse!«, bellte er sie an, und als Catalina noch immer nicht spurte, packte er sie am Arm und zog sie mit.
»Du tust mir weh.« Catalina rappelte sich hoch. Als sie sich umdrehte, wurde ihr schnell klar, warum Tao Te Chen sie vom Deck weghaben wollte. Giuseppe stand nicht weit von ihr. Er lehnte rauchend an der Reling und hatte sie wohl schon länger im Blick gehabt.
In der Kombüse musste Catalina eine lange Strafpredigt über sich ergehen lassen und war in den nächsten Tagen um einiges vorsichtiger. Statt sich auf dem Vordeck in der Sonne zu aalen, verkroch sie sich in ihrer Freizeit in ihr Eckchen hinter der Kochstelle und mied Giuseppe auch während ihrer Arbeit, aber trotzdem kreuzte er ständig ihre Wege.
»Der plant was, den juckt es, verdammt, den juckt es!«, schimpfte Tao Te Chen, und als Catalina meinte, dass er sich gegen die Läuse nur die Haare abschneiden müsste, fuhr Tao Te Chen sie so böse an, dass Giuseppe nicht der Kopf, sondern sein verdammter Schwanz jucke, dass Catalina noch Minuten später feuerrot war.
Schließlich wagte Tao Te Chen noch nicht einmal mehr, Catalina allein zum Vorratsraum zu schicken, weil der in einem abgelegenen Teil des Schiffes lag. Als an diesem Tag das Wasserfass leer wurde, wollte Tao Te Chen wiederum selbst hinuntergehen. Er bat Catalina, auf den Eintopf aufzupassen, doch dann platzte der Adjutant des Ersten Offiziers herein. »He, Schlitzauge, du sollst sofort zum Ersten kommen!«
Unwillig hob Tao Te Chen den Blick. »Muss das ausgerechnet jetzt sein?«
»Na los, mach schon. Der Erste ist heute sowieso so geladen wie eine Kanone zu Kriegszeiten.«
Catalina wollte Tao Te Chen den Schlüssel zum Vorratsraum abnehmen, doch der schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass
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