Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
bestimmen. Wenn diese Gedanken überhand nahmen, ertappte sie sich bei manchem sehnsüchtigen Blick in die tiefe Schlucht. Ein falscher Schritt, nur ein falscher Schritt … Angenehmer als der Tod auf dem Scheiterhaufen wäre der sicherlich.
Doch sie stapfte weiter und weiter, zwar ohne Hoffnung und ohne Ziel, aber mit sturer Verbissenheit. Endlich erreichten sie an diesem Nachmittag den letzten Kamm der Cordillera, eine karge, von gelbem Gras bewachsene Ebene. Der Wind, der ihnen entgegenwehte, war so eisig, dass die regenfeuchten Decken um ihre Schultern hart wie Bretter wurden. Der Führer machte Catalina Zeichen, dass es von nun an nur noch bergab ging. Sie warf einen Blick auf den Weg, der vor ihnen lag, und bezweifelte, dass ihr Marsch deswegen leichter werden würde. Stumpf stiefelte sie weiter hinter ihm her, bis er nach endlosen Kurven und Windungen stehen blieb und auf ein fruchtbares Tal wies, das sich unter ihnen auftat. Weithin erstreckten sich bebaute Felder, die von einem breiten Fluss mit abzweigenden Kanälen in zwei große Bereiche zerteilt wurden, dahinter erhob sich eine Stadt mit weiß in der Sonne blitzenden Lehmhäusern. Zum ersten Mal seit Tagen zog der Indio seine Decke so weit vom Gesicht, dass Catalina seinen Mund sehen konnte.
»Caxamalca, Caxamalca!«, rief er und strahlte sie an.
Catalina zuckte mit den Achseln. Selbst dass sie angekommen waren, war ihr inzwischen gleichgültig.
Catalina gab dem Indio seinen restlichen Lohn, woraufhin der sich gleich auf zu seiner Familie machte. Einen Moment lang sah Catalina ihm noch nach, dann marschierte sie allein weiter. Obwohl sie nun auf einer noch von den Inkas ausgebauten und sehr gut instand gehaltenen Straße lief, wurde ihr jeder Schritt schwer. Catalina sah zu dem Ort, sagte sich, dass er doch recht einladend aussah, aber etwas in ihr sträubte sich gegen ihn. Letztlich hatte sie keine Wahl, und so marschierte sie weiter.
Schon am Ortsrand stieß Catalina auf eine Taverne. Nach der Totenstille der Cordillera gellte ihr das lärmende Durcheinander von spanischen, katalanischen und baskischen Stimmen schmerzhaft in den Ohren, und nicht minder stieß sie der Schmutz auf den Tischen und dem Boden und der Geruch von essigsaurem Rotwein, billigem Tabak und allzu ölig Gebratenem ab. Trotzdem ging sie zum Tresen. Sie hatte Hunger. Morgen würde sie schon einen angenehmeren Ort finden.
Sie bestellte eine Tortilla und ein großes Glas Bier. Während sie aß, beobachtete sie die Leute. Die meisten schienen Händler, Handwerker und ehemalige Soldaten zu sein. Sie saßen hier, um die Zeit bis zum Schlafengehen mit Karten- und Würfelspielen totzuschlagen. Auch an dem Tisch direkt neben Catalina würfelte man. Die vier Burschen waren in ihrem Alter. Sie trat näher und sah ihnen zu. Auf dem Schiff hatte sie mit Tao Te Chen manchmal um Trockenerbsen gespielt. Als einer von den Jungen aufbrach, fragten sie Catalina, ob sie einsteigen wolle. Gleichmütig nahm Catalina den angebotenen Platz an.
Der Älteste von ihnen reichte ihr den Würfelbecher.
»Das Geld muss immer auf dem Tisch liegen. Kredit gibt es bei uns nicht!«, erklärte er ihr. Folgsam holte Catalina ein paar Münzen aus der Hosentasche und stapelte sie vor sich auf. Dann machte sie ihren ersten Wurf.
Catalina gewann, und das gleich fünfmal hintereinander. Sie selbst war darüber nicht weniger erstaunt als die drei Burschen, die längst bereuten, sie eingeladen zu haben. Als sie den dreien schließlich gar zwölf Maradevis auf einmal abluchste, weigerten sie sich, weiter mit ihr zu spielen.
»So viel Glück ist ja nicht normal«, maulte einer und nahm ihr den Würfelbecher ab. »Spiel weiter, mit wem du willst, uns jedenfalls reicht es!«
Catalina schob ihren Gewinn von der Tischkante in ihre Hand, doch noch ehe sie ihn in ihre Hosentasche stecken konnte, sprach sie einer der Männer vom Nebentisch an.
»Nicht so hastig, Freundchen!«, rief er. »Wollen doch mal sehen, ob du bei uns auch so viel Glück hast.« Und so hielt Catalina gleich den nächsten Würfelbecher in der Hand.
An diesem Tisch war das Glück Catalina zunächst nicht hold, aber bis der Wirt die Taverne schloss, hatte sie alles, was sie an die Männer verloren hatte, wieder zurückgewonnen und immerhin noch einmal acht Maradevis mehr als zuvor in der Tasche. Auf einmal fand sie den Ort gar nicht mehr so übel. Als sie den Wirt nach einem Zimmer fragte, bot er ihr an, sie bei seinem Bruder unterzubringen.
»Der
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