Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
viel zu wenige spanische Männer. Im Prinzip hatte Catalina noch nicht einmal etwas dagegen, für ihren König zu kämpfen. Schließlich hatte sie auch in ihren Phantasiekämpfen im Kloster schon oft den Degen für ihn geschwungen und war sich sicher, dass sie gut genug fechten konnte, um im Kampf ihren Mann zu stehen. Sorgen bereitete ihr nur ihr kleines Geheimnis … Wo sollte sie mitten im Feld, im Kampfgeschehen gar!, ihre Binden wechseln, auswaschen und trocknen? Gar nicht erst zu reden vom gemeinsamen Waschen in Fluss oder See. Irgendwann würde zwangsläufig auffallen, dass sie dabei nicht mitmachte … Und wie leicht konnte sie durch eine Stich- oder Schussverletzung auffliegen! Gerade jetzt hatte sie es doch erlebt: Wäre ihr Hemd am Arm nicht ohnehin zerrissen gewesen, hätte Stefano es ihr sicher ausgezogen und wäre dabei auf die eindeutigen Attribute ihrer Weiblichkeit gestoßen! Und was die Soldaten eines Regiments, Männer, die oft schon seit Monaten keine Frau mehr berührt hatten, mit ihr anstellen würden, wenn sie hinter ihr Geheimnis kamen, darüber wollte Catalina noch nicht einmal nachdenken. Eines war gewiss: Ihr Erlebnis mit Giuseppe wäre dagegen nur ein Sandkastenspiel.
Doch was wollte sie tun? Wenn Catalina nicht riskieren wollte, als Deserteur erschossen zu werden, musste sie bei der Kompanie bleiben.
Nach zwei Wochen hatte sie sich so weit erholt, dass sie mit Stefano einen ersten Rundgang durch das Lager machen konnte. Sie war erstaunt, wie groß es war. Richtige Zeltgassen breiteten sich vor ihr aus, in denen Mensch und Vieh enger als in manchen Städten durcheinander wimmelten! Überall mähte, grunzte und muhte es, da die Truppe einen großen Teil ihres Proviants lebend mitführte, und auf den Weiden galoppierten Pferde, die zu den prächtigsten gehörten, die Catalina bisher in Peru gesehen hatte. Nach einer Weile blieb Stefano bei einem Freund zurück, und Catalina lief das kleine Stück bis zum Rand des Lagers allein weiter. Ein widerlich süßlicher Verwesungsgeruch wurde immer stärker, bis sie einen Abfallgraben erreicht hatte. Ratten und etliche verwilderte, jämmerlich anzusehende Hunde durchsuchten den Müll nach Essbarem. Catalina wollte gleich umdrehen, aber da entdeckte sie in dem Unrat etwas, das wie eine Hand aussah. Ohne nachzudenken sprang sie hinunter und versank fast bis zu den Knien in dem Abfall. Trotzdem ging sie weiter in Richtung der Hand, bis zwei bis auf die Knochen abgemagerte Hunde zähnefletschend auf sie zukamen.
»Macht, dass ihr wegkommt, ihr widerlichen Köter!« Catalina schleuderte einen Stock in ihre Richtung, woraufhin die Hunde die Schwänze einzogen und das Weite suchten. Catalina ging weiter. Sie packte die Hand und zog – doch es folgte kein größeres Gewicht als das eines zerfetzten Armstummels. Erschrocken ließ Catalina das tote Fleisch fallen – und entdeckte nun auch noch so manch anderen menschlichen Abfall: Da vorn lag ein Fuß, dessen Zehen gerade von einer Ratte angeknabbert wurden, da hinten eine weitere Hand, dort ein ganzer Arm, da drüben ein Unterschenkel samt Knie. Einige der Gliedmaßen zeigten schon starke Verwesungsspuren, andere schienen erst seit kurzem hier zu liegen und waren von den Tieren noch kaum angenagt. Saurer Speichel sammelte sich in Catalinas Mund. Sie spuckte aus.
»Francisco, was machst du denn da?«
Stefano reichte ihr die Hand und half ihr aus der Grube.
»Wo … wo kommen diese ganzen Gliedmaßen her?«, stammelte Catalina noch immer fassungslos.
»Na, woher schon: von Amputationen natürlich.« Stefano sah sie gleichmütig an. »Wir hatten harte Kämpfe in den letzten Tagen. Und es ist immer noch besser, einen Fuß oder eine Hand als das Leben zu verlieren.«
»Aber … aber dann werft ihr diese Gliedmaßen einfach hier hin und dann kommen die Ratten und …« Catalina konnte nicht weiterreden.
»Was sollen wir denn sonst mit ihnen machen? Sie vielleicht als Erinnerungsstücke in Alkohol einlegen?«
Catalina sah ihn an und begann zu begreifen, wie wenig diese Kämpfe hier mit ihren Phantasiekämpfen im Kloster gemein hatten …
Zur ihrer großen Erleichterung merkte Catalina bald, dass sie sogar unter einer Horde Soldaten als Frau unerkannt leben konnte. Bei den vielen Menschen, die ständig beschäftigt wurden, fiel niemandem auf, dass sie ab und zu verschwand. Auch das Waschen war ein weit geringeres Problem, als sie angenommen hatte. Die meisten Soldaten lebten lieber mit Flöhen
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