Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
das Boot morgen früh ab, doch wenn er dann nicht an Bord ist, müssen wir mit leeren Händen zurück.«
    »Und mit leeren Taschen.« Auch Richard ließ sich am Feuer nieder, und Maria und ich breiteten unsere Umhänge auf dem Gras aus und setzten uns ebenfalls.
    Richard erklärte mit wenigen Worten, warum wir gekommen waren. Während er redete, warf Czyne immer wieder einen kurzen, halb versteckten Blick auf Maria. »Und jetzt bringen Ketlin und ich sie nach Bonn und hoffen, dass die Äbtissin die Geschichte glaubt.«
    Paul spuckte ins Feuer. »Ist ’ne Menge Aufwand. Ich hoffe, es lohnt sich.«
    Mit einem Ast stocherte Czyne nachdenklich in den Flammen herum. Funken stiegen in den sternenklaren Nachthimmel, als wollten sie eins mit den Sternen werden. »Ich begleite euch nach Bonn.« Sie sah Richard an, als kümmerte sie nur, was er davon hielt. »Paul kann die Waren auch allein nach Coellen bringen, so viel sollte es nicht sein.«
    Paul zuckte mit den Schultern. »Mir egal.«
    »Natürlich, du bist uns willkommen.« Richard nickte. Es war ihm nicht anzusehen, ob ihm die Idee wirklich gefiel.
    Im Gegensatz zu uns hatten Czyne und Paul Vorräte mitgenommen. Sie teilten Brot und Wein mit uns. Maria sprach ein Gebet, dann kündigte sie an: »Ich werde mich etwas hinlegen.«
    Richard und Paul rollten sich ebenfalls in ihre Umhänge. Die Augustnacht war angenehm, und wir hätten die Wärme des Feuers nicht gebraucht, und doch war ich froh, dass es brannte. Ich fühlte mich sicher, wenn ich das Knistern und Knacken hörte und den Rauch des Holzes roch. Schlafen konnte ich trotzdem nicht.
    Anfangs blickte ich ins Feuer, dann drehte ich mich auf den Rücken und betrachtete die Sterne, versuchte sie zu zählen, damit ich doch noch Schlaf fand, aber nach einer Weile gab ich auf. Ich drehte mich wieder auf die Seite, legte mir einen Arm unter den Kopf und lauschte dem Atmen und Schnarchen der anderen. Ich beneidete sie um die Ruhe, die sie gefunden hatten.
    Paul hatte sich am weitesten vom Feuer entfernt hingelegt. Er schnarchte, aber nicht so laut, dass es mich hätte stören können, während Maria, die dicht neben mir lag, bei jedem Atemzug leise schnaufte. Richard hatte mir den Rücken zugedreht und schlief ebenfalls, doch dann fiel mir auf, dass Czynes Platz leer war.
    Ich setzte mich auf, leise kroch ich aus meinem Umhang und stieg über Maria hinweg. Sie seufzte einmal kurz, schlief jedoch weiter.
    Der Fluss glitzerte im Mondlicht. Ich hörte Wasser plätschern und ging langsam zur Anlegestelle. Zunächst sah ich nur den Steg, der weit ins Wasser ragte, und erst, als sich etwas in seinem Schatten bewegte, entdeckte ich Czyne. Sie stieg gerade aus dem Fluss. Wasser lief ihr aus dem Haar über die hellen Brüste.
    Erschrocken wandte ich mich ab. »Entschuldige«, sagte ich, wohl wissend, dass Czyne mich bemerkt haben musste. »Ich wusste nicht, dass du hier bist.«
    »Du kannst dich ruhig umdrehen, ich bin keine Nonne.«
    Zögernd tat ich es. Czyne hüllte sich gerade in ihren Umhang und knotete ihn unter den Armen fest, sodass die Schultern frei blieben. Mit beiden Händen wrang sie ihr Haar aus. Ich hörte, wie Wasser auf Steine und Sand plätscherte.
    »Wenn man die Gelegenheit zu einem Bad hat, sollte man sie nutzen«, sagte sie, während sie an mir vorbei die Uferböschung hinaufging und sich dem Steg zuwandte. »Wer weiß, wann die nächste kommt.«
    Es klang fast wie eine Aufforderung, aber ich ging nicht darauf ein. Sie wartete eine Weile auf eine Antwort, die nicht kam, dann setzte sie sich und hängte die Beine über den Rand des Stegs.
    Ich zögerte einen Moment, dann ließ ich mich neben ihr nieder. Schweigend sahen wir auf den Fluss hinaus.
    »Was willst du, Ketlin?«, fragte Czyne plötzlich.
    Die Frage überraschte mich. »Was jeder will, denke ich. Genug zu essen, ein langes Leben, Gesundheit …«
    Ich ließ die Aufzählung im Nichts enden, als mir klar wurde, dass sie das nicht meinte.
    »Ich weiß es nicht.« Es war die Wahrheit.
    »Dann finde es heraus.« Czyne starrte weiterhin aufs Wasser. Ich spürte, dass sie allein sein wollte, und stand auf.
    »Er ist das einzig Gute, was mir je im Leben passiert ist.« Ihre Stimme war so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich sie richtig verstanden hatte.
    Ich drehte mich zu ihr um, überlegte, was ich sagen sollte, und sah ihren Rücken im Mondlicht. Lange, tiefe Narben bedeckten ihre Schultern und verschwanden unter dem Umhang. Sie sahen aus, als

Weitere Kostenlose Bücher