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Die Oder Ich

Titel: Die Oder Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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Schließlich kann er mit seiner Red Nine auch Dauerfeuer schießen.
    Es klingelt. Kurbjuweit fährt herum. Starrt die Tür zum Flur an, die er hinter sich zugedrückt hat. Wer kann das sein?
    Er knurrt. Darauf hat er gewartet. Die Anspannung kriecht wie eine Schnecke über seinen Rücken und überzieht ihn langsam mit ihrem kalten Schleim. Die sollen nur nicht denken, man könne ihn überraschen. Kurbjuweit schraubt den Anschlagkolben ab, um die Pistole handlicher zu machen für den Nahkampf, schiebt den Kolben mit dem Fuß unter den Zweisitzer, verbirgt die Pistole in einer Plastiktüte, die griffbereit auf dem Sessel liegt. Oho, sollen sie kommen, er, Kurbjuweit, ist auf der Hut, auf alles vorbereitet. Er nähert sich der Wohnungstür, die Tüte in der linken Hand. Blickt durch den Spion. Nichts zu sehen. Also will man ihn wohl nur ärgern, seine Bereitschaft abstumpfen. Aber er, Kurbjuweit, würde wachsam bleiben, auf alles vorbereitet sein.
    Zum Spiegel in der Küche! Er dreht sich um. Jetzt klingelt es wieder, länger, ungeduldig. Kurbjuweit stoppt, schleicht zurück zum Spion. Schiebt die rechte Hand in die Tüte, versichert sich des schnellen Griffs an seine Red Nine, zwingt seinen Atem zur Ruhe, leert seinen Kopf von fremden Gedanken. Späht durch den Spion.
    Kevin. Es ist nur Kevin Thielpape, Kurbjuweit erkennt ihn an dem Büschel blonder Haare, das in sein Sichtfeld ragt. Doch ein Fehlalarm.
    Kurbjuweit dreht erleichtert den Schlüssel um, schiebt den Riegel zurück und lugt durch den Spalt.
    Kevin steht bleich vor ihm.
    »Um diese Zeit? Ich denk, du bist in der Schule!«
    »Die letzte Stunde ist ausgefallen.«
    »Und wieso machst du keine Hausarbeiten? Esst ihr nicht zu Mittag?«
    Kevin schüttelt den Kopf.
    »Ist Onkel Volli wieder da?«
    Kevin nickt. »Der Schlüssel steckt von innen.«
    »Moment«, sagt Kurbjuweit, drückt die Tür zu, um die Red Nine in der Schublade des Küchentisches verschwinden zu lassen.
    Dann erst entfernt er die Kette und zieht die Tür auf. »Komm rein. Wir trinken einen Kakao.«
    Er trinkt gern Kakao mit Kevin. Wenn Kevin da ist, schweigen die Geräusche von oben. Es ist still. Kurbjuweit geht ins Wohnzimmer und horcht. Auch da ist es still. Sie wissen genau, wann er nicht allein ist. Sie wollen keine Zeugen, noch nicht einmal Kinderzeugen. Wie wissen sie das? Sind das Zauberer?
    »Ich kenne Zaubersprüche«, sagt Kurbjuweit, als sie am Tisch sitzen, jeder vor seinem Becher.
    »Ich auch«, sagt Kevin. »Sogar mehrere. Sesam öffne dich. Abrakadabra.«
    »Ich kenne aber einen, mit dem man wirklich Leute verzaubern kann.«
    »Und wie geht der?«
    Kurbjuweit trinkt einen Schluck.
    »Na sag schon!«
    »Man darf ihn nicht aussprechen«, flüstert Kurbjuweit rau und beugt sich vor. »Wenn man es tut, passiert etwas Schlimmes.«
    »Mit wem?«
    »Mit dem, dem man es sagt.«
    »Und was passiert dem?«
    »Der kriegt Angst, ganz furchtbare Angst.«
    »O ja«, sagt Kevin. »Den brauche ich. Wenn Onkel Volli mal wieder … Bitte, bitte sag ihn mir!«
    »Das geht nicht«, sagt Kurbjuweit düster. »Dann kriegst du ja die Angst …« Er nimmt wieder einen Schluck.
    »Das glaub ich nicht«, sagt Kevin. »Mama sagt auch immer, wenn ich nicht artig bin, kommt der schwarze Mann und holt mich, dabei gibt’s den gar nicht. Du spinnst …«
    Kurbjuweits Arm fährt über den Tisch und packt Kevins dünnes Handgelenk.
    »Aua, das tut weh!!«
    »Schrei nicht so«, flüstert Kurbjuweit und zieht Kevin heran, bis ihre beiden Gesichter sich über dem Tisch fast berühren. »Sag das nicht noch mal, ja? Niemals!!«
    »Nein, ich …« Kevin kämpft, sich zu befreien. »Lass mich los, ich …«
    »Versprich es mir!«
    »Ja, ja, aua, ich verspreche es, bestimmt!«
    Kurbjuweit lockert seinen Griff. »Ich schreib ihn dir auf, wenn du schwörst, dass du ihn nur benutzt, wenn du in großer Gefahr bist, okay?«

18. Kapitel
     
    In dem wir mit Kurbjuweit auf Streife gehen und erleben,
wie Angst Ordnung macht
     
    Diesen Montagabend im Februar hat Kurbjuweit seit Wochen geplant. Er beherrscht sie jetzt perfekt, seine Red Nine. Er ist mit ihr verwachsen. Er und sie – sie sind eins. Er kann sie im Dunkeln auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Er kann den Kolben im Nu an- und wieder abschrauben. Er ist für den Nah- und für den Fernkampf gewappnet.
    Heute wird er den ersten Patrouillengang machen. Er wird sein Schicksal in die Hand nehmen. Er wird hinausgehen. Er wird seinen Bunker verlassen. Er wird dafür

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