Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
Lee.
Wie konnte ich mich da rausreden, ohne direkt als Schlampe dazustehen? »Ich bin immer ein wenig knapp dran morgens. Ich muss mir endlich angewöhnen, den Wecker früher zu stellen.«
»Was sagt denn deine Mom, wenn du immer zu spät bist? Weckt sie dich nicht?«
Ich zuckte die Achseln. Mir fiel etwas anderes auf. »Bist du Amerikaner?«
Damit hatte ich ihn überrascht.
»Nein. Wie kommst du darauf?«
»Du hast so einen Akzent.«
»Oh.« Er lachte verlegen. »Ich war bis vor kurzem in Kalifornien. Vielleicht haben die fünf Jahre doch ein wenig abgefärbt.«
Neugierig sah ich auf. »Kalifornien? Echt? Wo genau?« Er hätte auch Bukarest sagen können, ich wäre wahrscheinlich genauso angesprungen. Einmal die Welt sehen zu können. Aus London rauskommen. Ich wäre schon glücklich, Cornwall noch einmal wiederzusehen.
»So toll ist es auch wieder nicht«, versuchte Lee mich zu beruhigen.
»Aber da scheint ständig die Sonne«, sagte ich und deutete mit dem Kinn zum Fenster, gegen das der Regen klatschte.
Er wiegte seinen Kopf hin und her. »Na ja, dafür hängt über L.A. ziemlicher Smog. Alles ist trocken und braun. London ist grün. Und wenn die Sonne scheint ist der Hyde Park unübertrefflich.«
Ich bezweifelte das. Immerhin war der Hyde Park ständig überfüllt mit Menschen. Sonntags bei schönem Wetter kam man kaum durch. Ich konnte mich nicht einmal mehr an einen richtigen Wald erinnern oder wann ich das letzte Mal durch einen gegangen war. Wahrscheinlich mit meinem Großvater. Vor vielen Jahren, als er noch gehen konnte. Ehe er einen Rollator vor sich hergeschoben hatte und wenige Monate danach gestorben war.
Mir fiel auf, dass Lee mich beobachtete.
»Wirklich, Kalifornien ist nicht der Rede wert. Die essen nur Fast Food und das älteste Bauwerk ist fünfzig Jahre alt. Wer würde einen McDonalds schon dem Tower vorziehen?«
Ich zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. »Dafür machen sie gute Filme. Ist nicht jeder in L.A. irgendwie in der Filmbranche? Warst du auch mal bei einem Dreh dabei?«
Er hob nur einen Mundwinkel und ließ meine Frage unbeantwortet. »Also, was ist mit dir los? Du kommst oft zu spät zum Unterricht, schreibst aber ziemlich gute Noten. Büffelst du abends so lange?«
Diesmal verweigerte ich die Antwort.
»Okay, dann rate ich mal. Deine Eltern führen einen Pub, der wahnsinnig gut läuft und du kellnerst dort, um dir dein Studium zu finanzieren.«
»Hast du Erkundigungen über mich eingezogen?«, fragte ich misstrauisch.
Er zuckte unschuldig die Schultern. »Ein wenig.«
»Auf jeden Fall waren es die falschen«, sagte ich trocken. Von wahnsinnig gut laufen konnte bei Mums Pub wohl kaum die Rede sein.
»Ich muss mal kurz wohin.«
»Magst du noch einen Kaffee?«
Ich lechzte danach. Wann hatte ich schon mal Gelegenheit so guten Kaffee zu bekommen? Zumal ich in den vergangenen zwei Wochen gar keinen getrunken hatte.
Er grinste und stand ebenfalls auf.
Als ich von der Toilette zurückkam, dampfte eine weitere Tasse auf dem Tisch zwischen uns. Lee blätterte gelangweilt in einer dieser Klatschillustrierten.
Ich öffnete den Deckel meines Pappbechers und wollte trinken, als mir auf der Deckelunterseite etwas auffiel.
Eine Telefonnummer und darunter der Name Sally.
Ich blickte zur Theke. Dahinter wurde gerade eine hübsche Blondine ganz rot.
»Hier. Der Kaffee ist meiner, aber der Deckel gehört definitiv dir.«
Ich hielt Lee den Plastikdeckel hin. Er sah irritiert darauf, folgte dann meinem Deuten zur Theke und grinste.
»Soll ich gehen?«, fragte ich und meinte es ernst.
Er sah mich groß an. »Warum?«
»Damit du deine Beute ins Visier nehmen kannst.«
Er stutzte, dann lachte er laut. »Du würdest tatsächlich das Feld räumen, nicht wahr?«, fragte er, als er sich wieder beruhigt hatte.
Ich antwortete nicht. Natürlich würde ich gehen. Ich wusste sehr wohl, dass wegen mir niemand eine so hübsche Bedienung sausen lassen würde.
»Ich bin mit dir hier«, sagte er, nahm aber den Deckel und steckte ihn ein.
»Ich bin beeindruckt. Ein Mann mit Prinzipien.«
Er lehnte sich wieder zurück und betrachtete mich mit verschränkten Armen. »Ich stelle fest, deine Zunge ist recht spitz, wenn du ausgeschlafen bist.«
Ich fühlte, wie ich rot wurde. Er mochte ja ein Schönling sein, der alles bekam, was er wollte, aber er war auch nett gewesen und hatte mir Kaffee und Sandwiches spendiert. »Tut mir leid. Ich sollte mich wohl eher bedanken.«
Er sah mich noch
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