Die Perfekte Braut
gedacht, in einem so aufregenden Land wie Ägypten möchte man an Kultur alles mitbekommen. Mutter hätte uns sicher dazu ermutigt.«
Aus Erfahrung wusste Max, dass er eine drohende Debatte auf seine Kosten nur abwenden konnte, wenn er nicht darauf einging. »Komm jetzt, Constance.« Er nahm ihre Hand und eilte mit seiner Gattin die Treppe hinunter. Constance warf ihren Schwestern über die Schulter einen Kuss zu.
»Con, wir sehen uns um vier bei Fortnum«, rief Chastity ihnen in einem Ton nach, in dem ein Lachen mitschwang. Sie wurde allerdings rasch wieder ernst, als sie Prues Ausdruck bemerkte, und legte ihrer Schwester eine Hand auf den Arm. »Prue, wir schaffen das schon... weil wir müssen.«
Prudence seufzte. »Ich weiß. Aber wenn Max, der selbst ein überaus beeindruckendes Auftreten hat, Malvern als einschüchternd bezeichnet, wie wollen wir es dann mit ihm aufnehmen?«
»Unser Auftreten gilt schließlich auch als beeindruckend«, gab Chastity zu bedenken. »Das hat sogar Max gesagt. Du bist Malvern bestimmt gewachsen.«
»Ich?« Prudence nahm ihre Brille ab und sah ihre Schwester an. »Wieso habe ich den schwarzen Peter gezogen?«
»Das war für mich ganz klar«, sagte Chastity. »Ohne nachzudenken.« Sie überlegte. »Mal sehen, was Con nach diesem Nachmittag meint. Vielleicht will sie es ja übernehmen.«
»Sie hat den Artikel geschrieben«, sagte Prudence und wandte sich zum Salon um. Doch das flaue Gefühl im Magen verriet ihr, dass die Aufgabe, Sir Gideon Malvern zu überzeugen, ihr zufallen würde. Wieder stellte sie sich ihn vor, wie sie ihn im schwachen Licht des Treppenhauses gesehen hatte. Sie hatte nur das Gefühl seiner Gegenwart gehabt und keine Einzelheiten in Sachen Größe, Statur oder Haarfarbe ausmachen können. Aber seine Augen waren ganz eindeutig grau. Ein Grau, dem etwas Stechendes anmutete... ein Licht, das sich wie ein Fackelstrahl auf sie gerichtet hatte. Und seine Stimme... nun, seine Stimme hatte ihr gefallen.
Als sie am Nachmittag den Piccadilly entlang zu dem Treffen mit ihren Schwestern eilte, war sie schon viel positiver gestimmt. Chastity hatte einen Antwortbrief an die melodramatische Miss in Wimbledon geschrieben und war rechtzeitig aus dem Haus gegangen, um ihn noch einzuwerfen, sodass Prudence nun ihren einsamen Spaziergang genoss. Es war ein schöner frischer Herbstnachmittag, an dem London sich von seiner besten Seite zeigte. Die Bäume prangten in sattem Rot und glühendem Orange, in der Luft lag der schwache Duft von gebratenen Kastanien. Sie kam an einem Händler mit seiner Röstpfanne vorüber und zögerte, vom Aroma verführt, doch hatte sie das Fortnum fast erreicht und konnte den Teesalon nicht gut mit einer Papiertüte voller Maronen betreten.
Wie schwierig es sich wohl gestalten würde, einen Verteidiger von der Rechtmäßigkeit eines Falles zu überzeugen, der geradezu nach Unrechtmäßigkeit roch? Also... sie hatten ja nicht viele... nein, gar keine... Beweise für Barclays Betrug, aber vielleicht, nur vielleicht, gab es einen Ort, an dem man mit der Suche beginnen konnte. Die Idee jagte ihr einen derartigen Schrecken ein, dass sie auf dem Pflaster wie angewurzelt stehen blieb. Ein Mann hinter ihr musste ausweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern, und ging mit einem raschen Seitenschritt an ihr vorüber und starrte sie an.
Prudence lächelte entschuldigend und spazierte langsam weiter. Warum hatten sie daran nicht gedacht? Jetzt erschien es ihr sonnenklar. Aber vielleicht hatten die Treue und Anhänglichkeit ihres Vaters seinem Freund gegenüber sie ja geblendet. Sie ertappte sich dabei, dass sie eine Melodie summte, und genoss ein Gefühl der Beschwingtheit, das ihr in letzter Zeit gefehlt hatte. Sie lächelte dem Türsteher zu, der ihr öffnete, und betrat den weitläufigen Teesalon aus Marmor. Auf der Estrade spielte das übliche Streichquartett, zwischen den voll besetzten Tischen bewegten sich Kellner in Schwalbenschwanzfräcken und Serviermädchen mit weißen Rüschenhäubchen, die Servierwagen mit üppigen Mehlspeisen und Servierplatten, von Silberkuppeln überwölbt, vor sich her schoben.
»Mrs. Ensor und die ehrCnwerte Miss Chastity Duncan haben in der Nische gegenüber Platz genommen, Miss Duncan.« Der Maitre d'hötel verbeugte sich. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
»Danke, Walter.« Prudence, die hinter ihm herging, spürte Blicke auf sich. Jeder Neuankömmling wurde vom angeregt plaudernden und stets auf den geringsten
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