Die Pfeiler der Macht
nach einer Weile sagte er:
»Ja.«
Augusta schloß die Augen. Teddy, mein Liebling, dachte sie, warum hast du das getan?
»Peter war ein schlechter Schwimmer«, erläuterte Micky mit leiser Stimme. »Edward hat ihn nicht ertränkt, aber er nahm ihm die Kraft. Als Edward aus dem Wasser ging, um Tonio zu verfolgen, war Peter noch am Leben. Aber ich glaube, er war zu erschöpft, um noch ans Ufer zu kommen. Er ertrank, als gerade niemand hinsah.«
»Teddy wollte ihn nicht töten.«
»Selbstverständlich nicht.«
»Das waren doch nur Dummejungenstreiche.«
»Edward wollte ihm nicht ernsthaft weh tun.«
»Es war also kein Mord.«
»Doch, ich fürchte schon«, sagte Micky ernst. Augusta stockte das Herz. »Wenn bei einem Überfall ein Mensch zu Boden geworfen wird, eine Herzattacke erleidet und stirbt, so ist der Räuber des Mordes schuldig, auch wenn er es nur auf das Geld des Opfers abgesehen hat.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe mich bei einem Rechtsanwalt erkundigt, schon vor Jahren.«
»Warum?«
»Ich wollte wissen, wie es um Edwards rechtliche Situation bestellt ist.«
Augusta vergrub ihr Gesicht in den Händen. Alles war noch viel schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte.
Micky nahm ihr mit sanfter Gewalt die Hände vom Gesicht und küßte sie eine nach der anderen. In dieser Geste lag so viel Zärtlic h keit, daß Augusta am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Ohne ihre Hände freizugeben, sagte er: »Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, Edward wegen eines Vorfalls aus seiner Kinderzeit zu verfolgen.«
»Aber ist dieser David Middleton ein vernünftiger Mensch?« Sie weinte jetzt wirklich.
»Vielleicht nicht. Er scheint seine Obsession all die Jahre hindurch gepflegt zu haben. Gott bewahre, daß er mit seiner Halsstarrigkeit die Wahrheit herausfindet.«
Augusta schauderte angesichts der möglichen Konsequenzen. Ein Skandal sondergleichen drohte. Die Gossenjournaille würde sich auf den Fall stürzen: DAS SCH M ACHVOLLE GEHEI M NIS DES BANKERB E N . Die Polizei würde sich einmischen. Der arme liebe Teddy mußte mit einem Prozeß rechnen, und sollte man ihn schuldig sprechen ...
»Micky, es ist einfach zu schlimm«, flüsterte sie. »Ich darf gar nicht darüber nachdenken.«
»Dann müssen wir etwas dagegen unternehmen.« Augusta drückte seine Hände. Dann ließ sie sie los und zog Bilanz. Sie hatte den Ernst der Lage erkannt: Der Galgen warf seinen Schatten auf ihren einzigen Sohn. Jammern und klagen half nicht weiter, es mußte gehandelt werden. Gott sei Dank hatte Edward einen Freund, auf den er sich verlassen konnte - Micky. »Wir müssen sicherstellen, daß David Middletons Schnüffeleien im Sande verlaufen. Wie viele Leute kennen die Wahrheit?«
»Sechs«, antwortete Micky wie aus der Pistole geschossen. »Edward, Sie und ich - das sind drei, aber von uns erfahrt er nichts. Dann wäre da Hugh ...«
»Er war doch gar nicht dabei, als der Junge starb.«
»Nein, aber er hat genug gesehen, um aussagen zu können, daß unsere Darstellung vor dem Untersuchungsrichter nicht korrekt war. Wenn man uns der Lüge überführt, geraten wir in Verdacht.«
»Hugh ist also ein Problem. Wer sind die anderen?«
»Tonio Silva hat alles gesehen.«
»Er hat nie ein Wort darüber verloren.«
»Er hatte zu viel Angst vor mir. Ob das heute noch der Fall ist, weiß ich nicht.«
»Und der sechste?«
»Wir haben nie herausgefunden, wer das war. Ich habe damals sein Gesicht nicht sehen können, und selbst hat er sich nie zu erkennen gegeben. Aber wenn niemand weiß, wer er ist, kann er uns wohl kaum gefährlich werden.«
Da wäre ich mir nicht so sicher, dachte Augusta, und erneut durchfuhr sie ein Angstschauer. Die Gefahr, daß sich der unbekannte Zeuge eines Tages doch noch meldete, blieb bestehen. Nur, was ihn betraf- und da mußte sie Micky recht geben -, waren ihnen die Hände gebunden. »Wir müssen uns also um zwei Leute kümmern: Hugh und Tonio.« Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen. Augusta rang sich zu der Erkenntnis durch, daß sie in Hugh nicht länger ein zweitrangiges Übel sehen durfte. In der Bank boxte er sich durch und fand zunehmend Anerkennung. Verglichen mit ihm wirkte Teddy schwerfällig. Die sich anbahnende Romanze zwischen Hugh und Lady Florence Stalworthy hatte sie erfolgreich sabotiert, doch nun bedrohte er ihren Teddy und konnte ihm ernsthaft gefährlich werden. Sie mußte etwas gegen ihn unternehmen. Doch was? Er war immerhin ein Pilaster, wenn auch
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