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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Glas Bier einladen? Es ist entsetzlich heiß.« Das fand Maisie auch. »Ja, Sie dürfen.«
    Wenige Meter weiter stand ein schwerer vierrädriger Karren, der mit riesigen Fässern beladen war. Hugh bestellte zwei Krüge warmen Malzbiers. Maisie tat einen tiefen Zug; sie war sehr durstig. Das Bier schmeckte ihr besser als Sollys französischer Wein. Auf einer am Karren festgeschraubten Tafel stand in unbeholfenen Buchstaben mit Kreide geschrieben: WER MIT EINEM KRUG ABHAUT, KRIGT IHN ÜBERN SCHÄHDEL.
    Hughs Miene nahm einen nachdenklichen Zug an. Nach einer Weile sagte er: »Ist Ihnen eigentlich klar, daß wir beide Opfer ein und derselben Katastrophe sind?« Das war ihr neu. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Im Jahr 1866 gab es eine große Finanzkrise. Bei solchen Anlässen können sogar vollkommen seriöse Firmen zusammenbrechen ... Stürzt ein Pferd in einem Gespann, dann stürzen auch die anderen, verstehen Sie? Mein Vater machte mit seiner Firma Bankrott, weil andere Leute ihm Geld schuldeten und es nicht zurückzahlen konnten. Er war darüber so verzweifelt, daß er sich das Leben nahm und damit meine Mutter zur Witwe und mich, den Dreizehnjährigen, zur Halbwaise machte. Ihr Vater konnte Sie nicht mehr ernähren, weil andere Leute ihm Geld schuldeten und er es sich nicht holen konnte. Also liefen Sie mit elf Jahren von zu Hause fort.«
    Maisie erkannte die Logik in dem Gesagten, aber ihr Herz wehrte sich gegen die Einsicht; zu alt war ihr Haß auf Tobias Pilaster. »Das ist nicht dasselbe«, protestierte sie. »Arbeiter haben keinerlei Macht über diese Dinge - sie tun lediglich, was ihnen befohlen wird. Die Macht liegt bei den Bossen, und die sind auch dran schuld, wenn was schiefgeht.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Hugh nachdenklich. »Vielleicht haben Sie recht. Was den Profit angeht, so schöpfen sicher die Bosse den Rahm ab. Einer Sache bin ich mir aber ganz sicher: Ob Boß oder Arbeiter - ihre Kinder können nichts dafür.«
    Maisie lächelte. »Kaum zu glauben: Wir haben etwas gefunden, worüber wir uns einig sind!«
    Sie tranken aus, brachten ihre Krüge zurück und gingen ein paar Schritte nebeneinander her, bis sie zu einem Karussell mit Holzpferden kamen. »Wollen Sie's mal probieren?« fragte Hugh. Maisie lächelte: »Nein, danke.«
    »Sind Sie allein hier?«
    »Nein, ich bin mit ... mit Bekannten hier.« Es war ihr seltsamerweise unangenehm, ihn wissen zu lassen, daß sie in Sollys Begleitung gekommen war. »Und Sie? Sind Sie etwa mit Ihrer furchtbaren Tante hier?«
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Nein. Methodisten lehnen Pferderennen strikt ab. Tante Augusta wäre entsetzt, wenn sie wüßte, wo ich mich herumtreibe.«
    »Mag sie Sie?«
    »Nicht die Bohne.«
    »Warum läßt sie Sie dann bei sich wohnen?«
    »Sie behält bestimmte Leute gern im Auge. Sie lassen sich dann besser beherrschen.«
    »Beherrscht sie Sie?«
    »Sie versucht's zumindest.« Er grinste. »Aber manchmal gelingt es mir, ihr zu entwischen.«
    »Es ist bestimmt nicht leicht, mit ihr unter einem Dach zu leben.«
    »Ich kann mir keine eigene Wohnung leisten. Ich muß eben Geduld haben und mir in der Bank alle Mühe geben. Eines Tages werde ich dann befördert, und dann beginnt meine Unabhängigkeit.« Er grinste erneut. »Und dann sage ich ihr, sie soll ihr Maul halten - so wie Sie das getan haben.«
    »Ich hoffe, Sie haben meinetwegen keine Schwierigkeiten bekommen.«
    »Doch, habe ich. Aber Tante Augustas Miene war das voll und ganz wert. In diesem Augenblick waren Sie mir auf einmal sehr sympathisch.«
    »Und deshalb baten Sie mich, mit Ihnen essen zu gehen?«
    »Ja. Warum haben Sie abgelehnt?«
    »Weil April mir sagte, daß Sie keinen Penny erübrigen können.«
    »Für ein bescheidenes Abendessen reicht's allemal.«
    »Wie könnte ein Mädchen diesem Angebot widerstehen?« spöttelte Maisie.
    Er lachte. »Wollen Sie nicht heute abend mit mir ausgehen?« fragte er. »Wir gehen zum Tanzen in Cremorne Gardens.« Das war ein verlockendes Angebot, doch Maisie mußte an Solly denken und spürte ihr Gewissen. »Nein, vielen Dank.«
    »Warum nicht?«
    Sie stellte sich diese Frage selbst. Ich liebe Solly nicht, und ich nehme kein Geld von ihm an. Warum soll ich mich für ihn aufsparen? Ich bin achtzehn Jahre alt und kann ausgehen, mit wem ich will. Wozu lebt man denn sonst? »Na gut ...«
    »Sie kommen also mit?«
    »Ja.«
    Hugh strahlte. Maisies Antwort machte ihn glücklich. »Soll ich Sie abholen?«
    »Nein«, erwiderte

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