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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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dem Meer übergeben. Er steckte drei Exemplare des Textes in Plastcontainer, befestigte an jeden einen der Ballons, füllte ihn nur so weit mit Gas, daß er den Container über das Meer schleifte. Die Delphine hielten es für ein neues Spiel. Als Kristian die erste Sonde startete, schwammen sie ihr hinterher, bald verlor er sie aus den Augen. Schade, dachte er, er hätte ihnen gerne zum Abschied den Kuchen gegeben, sie noch einmal gestreichelt. Good-bye, rief er ihnen nach. Dann ging er nach unten und bereitete das Boot vor.
    Die restliche Preßluft würde den Ballast aus den Tanks drükken und das Boot an die Oberfläche bringen, sobald er die Pedale länger als zehn Stunden nicht rotieren ließ. Wenn das Boot trotzdem unterging, würde seine Boje herauskatapultiert werden; er kontrollierte noch einmal die Packung mit dem Seenotpulver, die sich bei Kontakt mit Luft auflöste, so daß die Boje in einem weit sichtbaren Farbfleck schwamm.
    Dann bereitete er sich Essen, vier Gänge: Aalsup-pe, Omelett mit Pilzen, Curryreis mit scharf gewürz-tem Schweinefleisch, zum Nachtisch Gorgonzola.
    Wer weiß, wann er sich wieder die Zeit für ein richtiges Mahl nehmen würde. Er aß mit Genuß und Mu-
    ße. Nun, da alles entschieden war, hatte die Unruhe 133
    ihn verlassen. Er konnte sogar auf der Stelle einschlafen. Es tat ihm zwar leid, den letzten Nachmittag auf seinem Atoll zu verschlafen, aber er mußte bis zum Abend warten, bevor er aufbrach; die Raketen sollten weithin zu sehen sein.
    Als er wach wurde, stand die Sonne bereits dicht über dem Horizont. Er improvisierte ein Floß aus dem Tisch seines Bootes, verankerte es, brachte die Raketen daran an und eine Fernzündung, ließ den Ballon aufsteigen, schüttete das Pulver auf das Wasser, sah, wie der Fleck sich ausbreitete, nickte zufrieden; nur an dem einen Rand wurde die Farbe hin-weggetrieben, der weitaus größte Teil bedeckte das stehende Wasser. Ein letzter Blick, dann stieg er ein.
    Sobald er das Boot über das Riff bugsiert hatte, pack-ten ihn die Wellen des Pazifik, er mußte auf Tiefe gehen, aber er hielt sich dicht unter den Turbulenzen der Wellen, er mußte ja noch einmal auftauchen und die Raketen zünden.
    Er hatte sich in der Tat gut erholt auf dem Riff, im Nu hatte er das Zehnertempo überschritten, das Display leuchtete auf, forderte Zurückhaltung. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf: Wenn er alles einsetzte, den Zehnertakt wählte? Er gab die Daten in den Computer. Zehn Minuten trampeln, zehn Minuten ausruhen, elf, zwölf Stunden lang ohne Pause, im Dreißigertempo. Das brachte einhundertfünfzig Kilometer pro Tag. Wenn er sich völlig verausgabte, 134
    sich dopte, konnte er es schaffen, in fünfzehn Tagen wäre er in Hawaii. Nein. Der Computer berechnete das OUT für die zweite Hälfte des vierzehnten Tages. Aber er konnte die letzten zweihundert Kilometer durchtrampeln, im Höchsttempo, fünfzig.
    Er mußte den Computer nicht erst befragen, was das bedeutete. Eine Stunde entsetzliche Quälerei unter Schmerzen, die schier unerträglich wurden, dann schüttete das Gehirn, wie immer bei Dauerbelastung an der Grenze der Leistungsfähigkeit, Endorphine ins Blut. Die körpereigenen Morphine würden ihn in Euphorie versetzen, den Schmerz blockieren,
    Glücksgefühle auslösen, Halluzinationen – Nilsson hatte ihm sehr genau geschildert, was dann in seinem Körper geschah. Er würde in Ekstase geraten wie die tanzenden Derwische, die nach stundenlangen, krei-selnden Bewegungen Gottesnähe verspürten.
    Sogar starke sexuelle Empfindungen hatte Nilsson vorhergesagt. Und den Tod. Viele Langstreckenläufer seien in diesem Rauschzustand gestorben; für einen Mann in seiner Verfassung bedeute es den sicheren Tod. Aber er würde Hawaii erreichen. Lebend oder tot Hauptsache rechtzeitig.
    Eine tiefe Ruhe erfaßte ihn. Ja, dafür lohnte es sich, sein Leben zu geben, alle verbliebene Kraft in einer letzten Anstrengung aufzubrauchen. Wenn er es schaffte, würde sein Bild zu Recht in Svanvall hängen. Mutters Spruch, jetzt verstand er ihn: Das ist das 135
    Größte und das Schwerste alles geben und alles verlieren, um sich ganz zu gewinnen.
    Es würde schwer werden, verdammt schwer. Er
    machte sich nichts vor; wenn er sich für den Zehnertakt entschied, würde er den Rest seiner Tage wie in Trance verbringen. Trampeln, ruhen, trampeln… wie besinnungslos schlafen und wieder trampeln. Dann war das jetzt seine letzte klare Stunde, er durfte nichts übersehen.
    Er

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