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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Stapel wie immer geordnet. In diesem Augenblick war er bereit, jedes böse Wort gegen Marianne zurückzunehmen, sogar, sie zurückzuholen. Dann fiel ihm ein, daß er jetzt nicht hier sitzen und in Ruhe die Bücher durchsehen könnte, wenn Marianne da wäre. Wie war's denn, Mausilein? Bornemann prustete. Mausilein ist gestorben.
    Er inspizierte den Kühlschrank. Eingekauft hatte sie auch noch. Er nahm sich ein Bier, setzte sich in den Ohrenbackensessel und sortierte die Post, ohne einen der Briefe zu öffnen. Morgen. Wieviel Zeit er plötzlich hatte. Da hörte er ein Plätschern. Die Wanne! Er sprang auf, ging dann aber betont langsam ins Bad. Um sich zu beweisen, daß er das noch konnte: ganz langsam ins Bad zu gehen, obwohl das Wasser über den Wannenrand lief.
    Er wischte nicht auf. Morgen. Nein, morgen früh würde das Wasser ohnehin abgelaufen sein. Er holte sich Bier und einen zehnstöckigen Kognak, lag in der Wanne, duselte ein, schreckte hoch, weil er Wasser 169
    in den Mund bekam. Er frottierte sich nur notdürftig ab, machte das Licht nicht aus.
    Nirgends. Machte dafür kein Licht im Schlafzimmer, sondern tastete sich im Dunkeln ins Bett, ließ sich fallen. Heute würde er ohne Schlafanzug schlafen. Und morgen. Und übermorgen.
    Alle Tage. Er schlief auf der Stelle ein. Er hatte einen wirren Traum. Daß Marianne ihn glücklich ansah, sich über ihn stürzte, ihn küßte, sich an ihn schmiegte, ihn einhüllte mit ihrer Wärme, ihn ver-schlang.
    Er erinnerte sich verblüffend gut an den Traum, als er aufwachte. Die Tür ging auf, Licht fiel ins Zimmer.
    »Das Frühstück ist fertig, Mausilein.«
    Bornemann rieb sich die Augen, starrte sie an, als wäre sie ein Wesen von einem anderen Stern. Marianne setzte sich auf das Bett, streichelte seinen Kopf, lächelte glücklich, zufrieden, gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Stirn und stand auf.
    »Beeilst du dich, Mausilein? Damit der Kaffee nicht kalt wird.«
    Bornemann wälzte sich aus dem Bett. Die Pantoffeln standen bereit. Er ging barfuß hinaus. An der Tür drehte er sich um und holte die Pantoffeln. Marianne saß am Tisch, als er aus dem Bad kam. Das Ei stand mit dem stumpfen Ende nach oben im Becher.
    Bornemann wollte aufspringen, gehen, da beugte 170
    Marianne sich über den Tisch und goß ihm Kaffee ein, der Morgenmantel öffnete sich, gab den Blick auf ihre Brüste frei. Bornemann dirigierte die Hand vom Eierbecher zum Brotkorb. Vielleicht das nächste Mal, dachte er.
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    Gestern…?

    Er grübelte verzweifelt, was gestern gewesen war, versuchte, eine Erinnerung aus seinem Gedächtnis zu graben, wenigstens eine. Vergeblich, nur die Kopf-schmerzen kamen wieder.
    Er setzte sich auf eine Bank am Teich, stellte die beiden Plasttüten rechts und links neben sich, in Körperkontakt, versteht sich, massierte seine Schlä-
    fen, den Nacken, blinzelte aus halb geschlossenen Lidern über den Teich, auf die Bäume, merkte er-leichtert, wie er sich langsam entspannte. Er legte die Arme auf die Lehne, besetzte so die ganze Bank; sollte ja keiner kommen und sich zu ihm setzen wollen.
    Warum nur konnte er sich nie mehr an gestern erinnern? Erst morgen, wenn gestern zu vorgestern geworden war. Was zum Teufel war mit ihm los?
    Whitey konnte gut reden: zu einem Psycho gehen wie sollte er sich einen Psychiater leisten? Für solche Extratouren war sein Lohn zu niedrig. Verdammt zu niedrig.
    Sei froh, daß du überhaupt einen Job ergattert hast, dachte er.
    Vier- oder fünfhundert standen schon in der
    Schlange am Werktor, als er sich anstellte. Am frü-
    hen Abend. Bis zum Morgen war die Schlange hinter 172
    ihm viel länger als vor ihm.
    Vielleicht zweitausend Mann. Für zwölf Jobs. Und er, Samuel O. Carrol, hatte einen bekommen!
    Ob es reichen würde, wenn er einen ganzen Monat lang darauf verzichtete, Aroin zu schnüffeln? Er hatte keine Ahnung, was ein Psychiater kostete. Er war noch nie bei einem Arzt gewesen. Alles Quatsch, dachte er. Er würde nie die Kraft aufbringen, die Entzugsqualen zu überstehen, die spätestens am fünften Tag einsetzten, vor allem den achten Tag, wenn der »cold turkey« unbarmherzig zuschlug. Das wußte er doch.
    Daß er es nie schaffen würde, vom Aroin loszukommen. Er mußte bis an sein Lebensende schnüffeln, wann und wie immer das sein mochte. Hoffentlich nicht wie bei Rusty.
    Wie lange hatten sie sich gekannt? Fast fünf Jahre, aber Rustys richtigen Namen hatte er nie erfahren.
    Rusty gehörte zu den Leuten, die in den Fassaden der

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