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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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hatte er daran gedacht, sich einen Re-176
    corder zu besorgen, um auf Kassette zu sprechen, was er gerade tat, heimlich, versteht sich; wenn man ihn im Werk mit einem Recorder schnappte, war er den Job bestimmt auf der Stelle los, aber er hätte zu gerne gewußt, was gestern gewesen war.
    Wenigstens einmal und nicht erst am übernächsten Tag, wenn gestern zu vorgestern geworden war. Der billigste Recorder jedoch, den er in dem billigsten Second-Hand-Shop gefunden hatte, war immer noch viel zu teuer für ihn. Selbst das Gerät, das der Verkäufer unter dem breiten, bis zur Decke mit Panzer-glas gesicherten Ladentisch hervorholte und vor die winzige Öffnung hielt, gerade groß genug, daß er die Hand hindurchstecken konnte, um das Gerät mal an-zufassen, selbst diesen Recorder, der so billig war, daß er nur gestohlen sein konnte, würde er sich nie leisten können.
    »Ach was«, sagte er laut zu sich selbst, »sei nicht so hirnverbrannt!«
    Was konnte gestern schon anders gewesen sein als alle Tage: acht Stunden am Band doppelt so lange, wie das Gesetz es zuließ, aber wer wollte kontrollieren, ob die UNION CHEMICAL die Gesetze ein-
    hielt? –, acht Stunden Pillen sortieren, und das zum halben Mindestlohn; für einen Regulären hätte die UNION doppelt so viele Mäuse hinblättern müssen.
    Oder er nur die halbe Zeit arbeiten? Er kratzte sich am Hinterkopf. Stimmte die Rechnung? Egal. Er 177
    würde nie einen regulären Job bekommen, er mußte froh sein, überhaupt bei den Monkeys sitzen zu dürfen.
    Er mochte die Monkeys waren es eigentlich
    Schimpansen oder Gorillas? –, gute Kumpel auf jeden Fall. Nie stellten sie einem eine Falle; die Monkeys waren nie hinterlistig oder hinterhältig wie die meisten Menschen, die er kannte, im Gegenteil. Jedesmal, wenn er sich an das Band setzte, fletschten seine Nachbarn freundlich die Zähne und lausten ihm die Haare, nur schade, daß der Aufseher sie immer so schnell an die Arbeit zurücktrieb, nie hatten sie Zeit, alle Läuse abzusammeln. Und wenn sie gehen durften die Monkeys brauchten nur drei Stunden am Band zu hocken, dann ließ ihre Konzentration nach, und sie sortierten auch Fehlfarben in die Schachteln
    –, wenn sie gingen, tätschelten sie ihm die Schulter.
    Betsy drückte ihm neuerdings zur Begrüßung und zum Abschied einen nassen, schmatzenden Kuß auf die Wange.
    Was bist du nur für ein armes Schwein, dachte er, wenn du niemand anderen hast, der dich mal küßt, als eine Schimpansin. Wie aber sollte er jemals ein richtiges Mädchen kennenlernen? Und die Straßen-mädchen? Er kannte einige aus den Kneipen, hatte auch schon mal mit eine geschlafen, wenn er es sich leisten konnte, aber Nutten küssen nicht.
    Heute war Betsy ihm sogar um den Hals gefallen.
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    Sam nickte anerkennend. Diese Monkeys waren
    schon Teufelskerle. Sie erkannten Farbnuancen, die er nie unterscheiden könnte. Dafür sah er besser, vor allem schneller als sie, wenn mal eine Pille nicht richtig rund ausgefallen war. Das war sein Job, und kein Monkey der Welt konnte ihm den streitig machen.
    Schon gar nicht die zwei Stunden Bereitschaft täglich, für die er vier Nickel zusätzlich bekam, zwei Stunden, in denen er noch nie etwas tun mußte, warm und trocken saß, viel besser als auf dem Metroschacht. Im Bereitschaftsraum hätte er wohnen mögen: warm im Winter und kühl im Sommer.
    Hauptsache, niemand kam dahinter, daß er sich immer hinlegte, die beiden Stunden einfach verpennte.
    Und träumte. Und was für Träume.
    Ein Zittern überfiel ihn, ein Kribbeln, das die Wirbelsäule herunterkroch. Viel früher, als er erwartet hatte. Scheiße. In drei Tagen, spätestens in vier, wür-de der »cold turkey« sich bemerkbar machen. Er mußte unbedingt morgen zu Mausezahn gehen. Aber versuchen, das Aroin so spät wie nur möglich zu schnüffeln, um bis zum nächsten Lohntag hinzu-kommen. Die Ampulle zwischen die Beine binden, direkt unter den Sack, da kam niemand so leicht heran. Selbst Whitey würde versuchen, es ihm abzu-nehmen, wenn er ahnte, daß er Aroin besaß, bei Aroin hört die Freundschaft auf. Sonst konnte er sich auf 179
    Whitey verlassen. Whitey hatte ihm geholfen, den Platz auf dem Metroschacht zu verteidigen, der jetzt hoffentlich für alle Zeiten sein Stammplatz blieb.
    Gemeinsam hatten sie den letzten, der ihm den Platz streitig machen wollte, zum Krüppel geschlagen. Das arme Schwein tat ihm ja leid, aber so war nun mal das Gesetz der Bronx. Überall. Der Stärkere siegt. So

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