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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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nicht auch, daß es hübsch aussieht hier in der Küche, alles blaukariert? Morgen will ich die Fensterrahmen hellblau anmalen und den Hocker. Dann wird die Eßecke viel gemütlicher, und...«
    Auf den Schluß verzichtete ich. Fenster und karierte Kissen, wenn ich dichten wollte! Das paßte auf keinen Fall zusammen. Ich ging in mein Zimmer, setzte mich an die Schreibplatte, nahm ein neues Heft und schrieb auf die erste Seite:
     
    SYLOVE
    Ein Drama in
    vier Akten
     
    Dann strich ich die vier Akte wieder durch. Drei genügten. Das Publikum sollte sich schließlich nicht langweilen. Weiter:
     
    Personen:
Sylove, ein Mädchen
König und Königin
Wassergeist
     
    Nein, auch den Wassergeist strich ich nach einigem Nachdenken. Der mußte, um echt zu wirken, triefendnasse grüne Haare haben. Das mit dem Grün würde schon klappen. Aber das Nasse. Das war im Herbst, in der kühlen Witterung, viel zu gefährlich. Selbst wenn Fridolin mit seiner Fettschicht rings um sich herum ihn spielte, würde er sich bestimmt erkälten.
    Überhaupt mußte das Drama ja nicht am Meer spielen, überlegte ich. Meeresrauschen, Wasser und Dünen konnten wir im Garten nicht hervorzaubern, geschweige denn auf dem Dachboden. Sylove konnte ebensogut ein Waldmädchen sein. So eine Art Genoveva.
     
    Als Fredegunde mich abholte, war ich noch bei den ersten Seiten, mit vielen Strichen. Das machte nichts. Hauptsache, der Anfang war da. Viel Zeit hatten wir ja nicht. Zwischen alten Zeichnungen aus den ersten Schuljahren lag mein schwarzes Heft. Dahinein schrieb ich meine Geschichten, ausgedachte. Ellen hatte sie einmal gelesen. Sie hatte nicht gelacht. Im Gegenteil, sie hatte mich ermutigt, weiterzuschreiben. Geschichten liest sie für ihr Leben gern. Überhaupt lesen. Ich sollte nur fleißig schreiben. Ihr fiele nie so etwas ein. Und es wäre doch herrlich, eine Freundin zu haben, die Bücher schreiben könnte.
    »Bücher«, hatte ich sie ausgelacht, »Bücher schaffe ich nie!« Und so war es. Ich war lange nicht zum Schreiben gekommen. Jetzt wollte ich wieder anfangen. Sylove, ein wunderbarer Name. Vielleicht war es praktischer, erst eine Geschichte zu erzählen, und dann daraus ein Drama zu gestalten?
    »Dein Heft, wie das aussieht, die vielen Striche! Soll das deine Geschichte sein?« entrüstete sich Fredegunde und beugte sich neugierig darüber. Ich klappte das Heft vor ihrer Nase zu und schob es in mein Schreibfach.
    »Ach wo, komm, wir müssen gehen. Es ist schon zehn Minuten nach halb vier.«
    Von den Anfängen, und wie ich mich damit herumquälte, brauchte sie nichts zu wissen. Sie würde mich nie verstehen, nicht so wie Ellen damals.
    Ich griff hastig nach meinem Anorak.
    Es regnete sanft und beharrlich, als wir durch den Stadtpark gingen. Der Spielplatz war leer. Müde hing die Schaukel herab. Auch in der Sabinenstraße schwieg der Bagger. Die Straße lag still in dem Regen. Sie kam mir wieder wie verzaubert vor. Der Handarbeitsladen war geschlossen. Ein Rolladen hing vor der Tür herab. Aber das Schaufenster war noch dekoriert. Die Puppe auf dem Stuhl starrte uns mit ihren Glasaugen an.
    »Komisch«, Fredegunde blieb stehen und starrte ins Fenster. »Solche Puppe, hättest du damit gespielt?«
    »Ich spiele überhaupt nicht mit Puppen, das weißt du doch«, wehrte ich ab.
    »Alles so staubig, auch die Wolle, wie findest du das?«
    Ich zog sie weiter. Zu langen Erklärungen war ich nicht aufgelegt.
    In der Ponyapotheke bediente der junge Mann, den ich schon kannte.
    »Fridolin ist im Garten«, sagte er und machte mit dem Kopf eine Bewegung zur Glastür im Hintergrund.
    Fredegunde war ganz benommen. Jedenfalls schwieg sie und tappelte brav hinter mir her. Auf dem Flur an der Treppe begegnete uns die alte Frau Marogis.
    »Ist das schön, so viele Kinder, ja, ja, guten Tag«, sie strahlte über ihr faltiges Gesicht. »Nich so laut nachher uff den Treppen. Fridolin weiß Bescheid, Kindchen. Großvater hat sich hingelegt. Nachmittags muß er schlafen. Na, nu geht man, da die dritte Tür. Haste ’nen Schirm? Ja, gut. Et hört wohl bald auf.« Sie nickte uns freundlich zu und ging leise vor sich hinbrabbelnd den Gang hinunter.
    Ich öffnete die Tür zum Garten.
    »Oh«, Fredegunde war hingerissen. Nicht über das Pony. Das kleine Pferd war nirgends zu sehen. Die Bäume, wie im
    Märchen! Zwei Tage und das Laub hatte sich golden gefärbt, braun, rot, gelb, helles Grün. Dazwischen die dunklen Stämme, die Büsche, die nachtdunkle Efeuwand. Und der

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