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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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Gästen. Sie gingen umher, durch alle Zimmer, die Türen standen überall auf. Im Wohnzimmer mit den hohen Stühlen und dem Tisch mit der blanken Mahagoniplatte brannten Kerzen.
    »Mein Großvater hat einen kleinen Schwips von all dem Prosten«, erzählte Fridolin lachend. Er kam als letzter zu uns auf den Boden herauf. Wir saßen hinter dem Vorhang in der Ecke und schwitzten.
    Noch war es nicht vier. Frau Marogis hatte seit gestern abend schon eingeheizt. Damit wir ja nicht froren. Sie kam sogar mit heißem Tee. Wir protestierten. Fredegunde glühte wie eine Tomate. Wir schwitzten alle. Wie Fridolin es aushielt, weiß ich nicht.
    »Wenn ich meinen Kopf bewege, wackelt meine Krone«, beklagte sich Fredegunde.
    »Laß sie wackeln, mein Busen rutscht auch andauernd. Hugo, wie spät ist es?«
    Hugo erhob sich in ganzer Länge. Er sah aus wie der Weihnachtsmann, mit seinem Wattebart. Auch seine Krone schwankte bedenklich, als er den Kopf schüttelte und sagte:
    »Der großmächtige und edle König tritt auf, hebt seine Hand und sagt zu seiner edlen Gemahlin, indem er sie ansieht: >Gemahlin! Wie sprichst du mit mir? Es ist fünfzehn Uhr fünfunddreißig. Der Einlaß beginnt. Ich höre schon die ersten Schritte auf der Treppe. Sei froh, daß ich dir antworte. Wage nicht noch einmal, so respektlos mit mir zu schwatzen.<«
    »Schwatzen ist aber kein dichterisches Wort«, piepste Fredegunde aus ihrer Ecke.
    Fridolin ließ sich zerknirscht auf die Knie nieder und beugte sein blauumschlungenes Haupt.
    In diesem Augenblick schlug Frau Marogis verabredungsgemäß unten auf den Gong. Zwanzig Minuten vor vier sollte der Einlaß beginnen.
    Trudchen, am Eingang der Bodentreppe, ein Kasperle in den roten Strumpfhosen, und Rudi führten die Gäste an ihren Platz. Die Premiere war für die Erwachsenen, die Gäste des alten Herrn Konitz, reserviert und für Jungen und Mädchen aus unserer Klasse, soweit sie Platz fanden. Auf Grund der Nachfrage mußten wir mindestens zehn Vorstellungen veranstalten. Wenn wir das nur durchhielten. Ich spähte durch den Vorhang. In der ersten Reihe? Erwartungsvoll und lächelnd: Fräulein Richardson, der alte Herr Konitz, Doktor Shetland und Frau, Fredegundes Mutter, breit wie ein Hefekloß, das glatte Gegenteil ihrer Tochter. »Vielleicht war Fredegunde ein Findelkind?<
    »Was?« fragte sie mit ihrer hohen piepsigen Stimme, »was soll ich sein?«
    Ich hatte mal wieder laut gedacht.
    »Gar nichts, komm, guck mal durch den Spalt, deine Mutter ist auch schon da.«
    »Neiiin, liiieber nicht«, stammelte sie aufgeregt, »laaß miiich maaan gaaanz ruuuhig hier sitzen, gaaanz ruuuhig.«
    »Fredegunde, verpatz mir die Szenen nicht«, befahl ich ernst.
    »Neiiin, ich biiin ganz ruuuhig.«
    Ich betrachtete sie aufmerksam. Wenn nur alles gut ging. Sie kam zum Glück erst in der vierten Szene dran.
    Zisch! Die Scheinwerfer brannten.    i,
    Der große Bodenraum lag nun in Dunkel gehüllt. Nur der Vorhang wurde beleuchtet. Es war wie im Theater. Es summelte und brummelte im Zuschauerraum.
    >Meine Eltern<, dachte ich und guckte und guckte. »Wenigstens Mutti wollte doch kommen.<
    »Dritte Reihe rechts«, flüsterte Fridolin hinter mir, »auch dein Vater.«
    Konnte er Gedanken lesen?
    »Bühne frei«, flüsterte er. Ich verschwand hinter dem Seitenvorhang. Fridolin griff nach der Trompete. Ein schmetterndes Signal! Bernd zog den Vorhang. Es klappte, es klappte!
    Trudchen wirbelte über die Bühne. Lautes Klatschen. Die Vorstellung begann.
    Es war eine wahnsinnige Anstrengung.
    Wir mußten ernst bleiben und würdevoll und königlich und einen unmöglichen Text sprechen, und die Zuschauer fielen vor Lachen beinah vom Stuhl.
    Noch nie habe ich Fräulein Richardson so lachen gesehen. Doktor Shetland schlug sich vor Vergnügen aufs Knie. Fredegundes Mutter: Alles wackelte an ihr! Einmal kreischte sie und stieß Herrn Kruse an, der neben ihr saß und sie verwundert ansah.
    Fredegunde war entsetzt über die Wirkung. Über Trudchen sollte man lachen, die hopste in ihren roten Strumpfhosen mit
    den schwarzen Troddeln wie ein Kasper auf der Bühne herum.
    Aber über sie, die Prinzessin? »So ulkig haben wir es bestimmt nicht gemeint, so doch nicht«, flüsterte sie nachher in der Pause.
    »Doch, gerade so«, meinte Fridolin.
    »Ich werde es ihnen schon zeigen, wie es gemeint ist«, versicherte sie beleidigt. Sie wuchs über sich selbst hinaus. Sie spielte ernst und tragisch und wirkte umwerfend. Nie verzog sie das Gesicht. Wir

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