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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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Komplizierteste, was es gäbe. Jungen wären da viel einfacher und direkter, nicht so empfindsam und albern. Es wäre einfach schade, daß ich kein Junge sei. »Du würdest Peter heißen, und wir wären drei. Und was bist du jetzt? Grüne Petersilie, Suppengemüse.«
    Ich warf mich wütend auf ihn. Aber mein Vater zog mich* lachend zurück: »Zum Glück ist sie kein Junge, sie würde sonst wohl nur mit euch zum Mond fliegen, und ich säße hier ziemlich allein und einsam am Strand.«
    Mutti sah ihn erstaunt an. Ich dachte, mein Vater hätte das lieber nicht erwähnen sollen. Mutti liebt Gesellschaft und hat gern Menschen um sich. Aber Erwachsene sind manchmal schwierig zu verstehen.
    Jedenfalls kam Linabell nicht wieder. Und nach ein paar Tagen hörte ich von meiner Mutter, sie seien abgereist, was sie sehr bedauere.
    Ich bedauerte es nicht. Es half mir ja doch nicht, eine neue Freundschaft. Am meisten half mir mein Vater, der viel Zeit für mich hatte. An einem endlosen Regentag ging er mit mir zu der alten Schifferkirche aus dem 13. Jahrhundert. Der Küster schloß uns mit einem riesigen Schlüssel die schmale Seitentür auf, und wir saßen lange in dem dämmerigen Raum mit der schweren Balkendecke. Ein vollgetakeltes geschnitztes Segelschiff hing von der Decke herab. Und der Küster erzählte uns von den Sturmfluten früher, wie groß die Insel gewesen war, dreimal so groß wie jetzt. Wie hungrig das Meer Stück für Stück abgerissen habe und wie die Bewohner immer wieder versuchten, das Land zu schützen. Von einem Mädchen Sylove erzählte er, deren halbverwitterter Grabstein draußen auf dem kleinen Kirchhof lag. Eine Fremde soll es gewesen sein, eine Ausländerin, die niemand mochte und die am meisten Mut und Tapferkeit besaß und umsichtig die Menschen in diese Kirche geführt hatte. Sie lag am höchsten und konnte von den Fluten nicht erreicht werden. Und sie selber, Sylove? Eine Sturzflut riß sie ins Meer. Später gab das Meer sie zurück. Und schön soll sie ausgesehen haben, auch im Tod.
    Der Küster hatte eine kleine Kerze angezündet. Wir saßen in den engen Bänken. Vatis lange Beine fanden kaum Platz. Draußen rauschte der Regen.
    >1286<, dachte ich, >und Sylove<. Ein Name wie aus einem Märchen. Das konnte man mit Vati erleben, nur mit ihm. Meine Brüder hatten weder Zeit noch Lust zu solchen Ausflügen. Sie lebten in ihrer Mondsatellitenwelt. Und Mutti hatte unentwegt zu tun: baden, sonnen, Ball spielen, Gymnastik, Frühstückstaschen auspacken, fragen, erzählen, einkaufen im Dorf, kochen, und bei Regen ihre Kopfschmerzen beruhigen. Ich wunderte mich, was Mutti alles zu tun hatte. Dabei halfen wir doch auch, nicht viel, das muß ich zugeben. Aber Mutti rannte und rannte. Bei dem vielen Gerenne müßte sie eigentlich dünn wie ein Bindfaden sein. Aber das war sie nicht. Und abends, wenn sie in meine kleine Kammer kam und gute Nacht sagte, war es auch nur wie ein Husch.
    »Ach, da hängt ja der Ponykalender, schreibst du Ellen auch? Und warum liegt dein Zeug so unordentlich da? Und lies nicht mehr so lange und verschlafe morgen früh nicht, gute Nacht, Petra!«
    »Ja, nein, gute Nacht, Mutti!« erwiderte ich dann und umarmte sie. Und war froh, wenn ich allein war. Sonst hatte ich mit meinen Brüdern zusammengeschlafen. Aber in diesem Sommer, als wir auf die Insel kamen, hatte Herr Mooge, in dessen Fischerhaus wir jedes Jahr wohnen, die winzige Kammer für mich ausgebaut. Sie war früher ein Abstellraum neben der Küche gewesen. Nun sah sie wie eine kleine Schiffskoje aus, mit dem eingebauten Bett, den hellblauen Wänden und den blau-weißen Gardinen vor dem niedrigen Fenster. An alles hatte Herr Mooge gedacht: an die Schreibplatte unter dem Fenster und vor allem an die kleine Leselampe am Bett.
    Das war das beste. So konnte ich jeden Abend noch lange die Geschichte vom Indianermädchen Silberne Sonne lesen, von ihrem Pferd Windpfeil, mit dem sie durch die Prärie reitet, von dem geheimnisvollen Stein, den sie in der versunkenen uralten Stadt im Tal der Felsen findet. Ein Stein mit geheimnisvollen Kräften! Er konnte unsichtbar machen.
    Es war mein liebstes Buch. Ich las immer wieder darin. Und ich stellte mir vor, wenn ich das rote Pferd besäße. Warum konnte ich nicht geheimnisvolle Steine in versunkenen Städten entdecken? Warum gab es Spannung, Aufregung und Abenteuer nur in Büchern? Warum erlebte man nie, nie etwas Geheimnisvolles, etwas, das anders war als die Wirklichkeit?
    Schule,

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