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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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davon abbringen, Rethra zu erreichen.«
    »Wenigstens so lange, bis die Einfänger hier sind, natürlich.«
    »Nein, eben nicht! Ich wollte, daß ihr euch versteckt, um euch zu retten. Glaube mir, der Schein trügt. Ich belüge dich nicht. Daß ich mit dir rede, bringt mich selbst in Gefahr. Der Krieger mit den reichen Waffen dort vorn, Barchan – siehst du nicht, wie er zu uns herüberschaut? Er versteht kein Fränkisch, aber er sieht wohl, daß ich mit dir spreche.«
    »Wie mutig von dir«, spottete der Hüne.
    »Heute ist der Bote angekommen«, raunte Alena, »der Bote, der uns in Rethra ankündigt. Das war geplant, damit Nevopor das Volk zusammenruft für das Opfer. In drei Tagen, wenn die Burg voll ist, wird sich Uvelan hineinschleichen, hinten, durch das kleine Seetor, im Morgengrauen. Er wird Einfluß zu erlangen suchen, wird die Zupans und die Burgherren an den alten Gott erinnern, wird sie aufwiegeln. Wenn er sie gewinnt, seid ihr gerettet!«
    »Soll ich dir etwas sagen? Ich habe nichts anderes verdient, als einem heidnischen Dämon geopfert zu werden, denn ich habe das treuste und bewundernswerteste Weib betrogen, das es gibt. An Heilwich werde ich denken, wenn ich sterbe. Dich, Alena, dich verachte ich nur. Ich trage keine Münzen bei mir. Erinnerst du dich? Diese Ausbuchtung an meinem Gürtel, willst du wissen, was es ist? Ein hartes, altes Stück Brot. Heilwich hat es mir gegeben, mit einem liebevollen Lächeln und Augen, die vor Vertrauen ganz weich waren. Ich habe es nicht gegessen, weil ich wollte, daß es mich an ihre Liebe erinnert. An Heilwich werde ich denken. Deinen Namen werde ich nicht einmal im Himmelreich mehr erwähnen! Und jetzt verschwinde, oder ich reiße diesen Reiter vom Pferd, um die Hände freizubekommen für einen Fausthieb in dein Gesicht!«
    Es war, als hätte ihr Herz aufgehört zu schlagen. Wie eine Tote bewegte sie sich, schleppte sich neben Barchans Hengst, starrte in die Luft als wäre es schwarze Nacht. Siehatte einmal gesehen, wie man vor den Ställen in der Vorburg einen jungen Hund so lange geprügelt hatte, bis er reglos liegenblieb. Diesen Hund sah sie nun vor sich, das ockerfarbene Fell des Tiers, die schlaffen Beine, die Schnauze im Staub. Er hatte ein Pferd ins Bein gebissen, und die Männer hatten einen halben Tag gebraucht, es wieder einzufangen und zu beruhigen. Die Pferdeknechte rächten sich auf ihre Art. Mit Schaufeln. Wohl atmete Liub noch, aber Beine und Körper lagen da, als seien sämtliche Knochen gebrochen. Schlimmer noch, das Leben in ihm schien gebrochen zu sein. Man verbot ihr, zu ihm hinzugehen, sagte, er solle seine Lehre aus der Sache ziehen. Liub bewegte sich nicht vom Fleck. Als sie sich schlafen legte, hielt sie wach die Augen geschlossen und wartete. Bald waren rasselnde Atemzüge von allen Bänken zu hören. Sie schlich sich aus dem Tor die Treppe hinunter. In der Nähe des Stalles blieb sie stehen, wagte es nicht, sich zu nähern. Der Hund hatte sich zur Hälfte erhoben. Er kroch, die Hinterläufe mitschleifend, im Mondschein zum Misthaufen an der Stallwand. Schrecklich langsam war er, mußte immer wieder zwischendrin ausruhen. Aber er hatte bis zur Nacht gewartet, hatte seinen Peinigern diesen Anblick nicht gegönnt. Sie schämte sich dafür, daß sie ihn beobachtete. Es verletzte seine Würde, so schien es ihr. Geräuschlos zog sie sich zurück. Am nächsten Morgen suchte sie hinter dem Misthaufen nach Liub. »Der Köter ist fort«, erklärte ein Pferdeknecht und spuckte aus. »Lag tot hinter dem Haufen, dort, an der Wand.« In den nächsten Wochen hatte sie sich jeden Abend in den Schlaf geweint.
    So war sie jetzt, wie Liub. Alle ihre Knochen waren gebrochen, und ihre Seele auch.
    »Können es wohl nicht fassen, daß die hübsche Tochter des Hochpriesters sie reingelegt hat, was?« Unter Barchans Bart zeigten sich weiße, starke Zähne, er grinste.
    Alena blieb stumm.

28. Kapitel
     
     
    Die Sonne hängte ein rotes Tuch über den Himmel, und der Wind blies es in Fetzen.
    Rethra. Wie ein Stierkopf mit drei Hörnern prangte die Tempelburg auf der Hügelkuppe. Um den Hals des Stieres hing eine steinerne Kette. So weit umarmte der Wall der Vorburg den Hang, daß Alena den Kopf von ganz links nach ganz rechts wenden mußte, um ihn in seiner Breite anzuschauen. Kröten unkten im Teich vor der mit Granitblöcken verkleideten Mauer, Schilf rasselte und bog sich. Über dem Teich die Steine, über den Steinen die dicken Stämme der Palisade, die

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