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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Saitou Mining, herausgefunden und gefaxt hatte. Sieht ganz danach aus, dass ich noch etwas länger hier bleibe , dachte sie nach dem aufschlussreichen Gespräch und lächelte zufrieden in sich hinein.
    Lauren stand am Fenster ihres Büros. Gedankenverloren betrachtete sie die undurchdringliche Glasfassade des gegenüberliegenden Geschäftshauses. Ryan, tot! Im ersten Augenblick hatte sie sich geärgert, als sie von seinem Unfall hörte. Warum musste er sich und der Welt dauernd beweisen, wie stark und zäh er war? Erst nach und nach erfasste sie, dass sich ihr Leben verändert hatte. Den Mann, dem sie einst mit Haut und Haaren verfallen war, der ihr schlaflose Nächte, Angstschweiß und Schmetterlinge im Bauch beschert hatte, gab es nicht mehr. Nie mehr würde sie diesen Ryan, den ungestümen, zärtlichen, unbeholfenen, selbstbezogenen Liebhaber sehen, mit ihm lachen und streiten. Streiten! Als sie daran dachte, wie sie sich letztlich im Streit getrennt hatten, begann sie still zu weinen. Sie hatte lange ihr eigenes Leben ohne ihn gelebt, kaum mehr an ihn gedacht. Erst jetzt, wo die letzte Brücke zu ihm abgebrochen war, hätte sie ihm vieles sagen wollen. Die Nachricht wühlte sie viel stärker auf, als sie sich eingestehen wollte. Sie fühlte sich mutlos, zerschlagen. Der Optimismus, der sie bei der Auswertung der letzten Probe erfüllt hatte, war verflogen.
    Die Probe, ich blöde Ziege! Ungehalten stürzte sie aus dem Zimmer. In der Aufregung hatte sie ihre neuste Kristallzüchtung völlig vergessen. Was sie befürchtet hatte, bestätigte sich, als sie die Nanokristalle aus der gallertartigen Lösung ausfällte. Die Probe war zu lange hohem Druck und hoher Temperatur ausgesetzt gewesen. Statt der erwarteten homogenen, dünnen Schicht hatten sich lange, mikroskopisch feine Stränge gebildet, die sich zu haarförmigen Fäden verklumpten. Diese Probe konnte sie vergessen. In der Schale vor ihr lag ein Material, das keine Ähnlichkeit hatte mit allem, was sie bisher gesehen hatte. Am liebsten hätte sie sofort alles weggeworfen. Sie wollte nach Hause, sich ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und an nichts mehr denken. Aber ihre wissenschaftliche Neugier war stärker. Sie musste herausfinden, was sie da vor sich hatte. Es gab ein paar Schnelltests, denen sie das Material nun unterzog. Dank der modernen, computergesteuerten Analysen lag das Resultat nach wenigen Minuten auf dem Tisch. Sie sah es erst nicht, denn die Linie, die sie suchte, deckte sich mit dem Koordinatennetz des Diagramms.
    »Unmöglich – das – kann nicht sein«, murmelte sie verstört und erbleichte. Fieberhaft kontrollierte sie nochmals alle Einstellungen und starrte die Grafik mit aufgerissenen Augen an. Ihre Nackenhärchen sträubten sich, als hätte sie ein Geist kalt angehaucht, ihre Hände waren feucht und zitterten. Sie musste sich irren! Aber die Grafik und die Zahlen schrien ihr die Wahrheit geradezu ins Gesicht. Plötzlich fühlte sie sich hundemüde. Sie musste diesen Versuch später nochmals in Ruhe wiederholen. Vielleicht war an diesem Tag einfach alles zuviel für sie, vielleicht litt sie an Halluzinationen? In aller Eile packte sie alle Messprotokolle, ihre Versuchsnotizen und die missratene Materialprobe in einen Umschlag und erschrak heftig, als sie das Labor verlassen wollte. Renate stand in der Tür. Sie schien sie besorgt zu beobachten, ebenso wie der neugierige Kichi hinter ihr. »Was machst du ...«
    »Entschuldige, ich machte mir Sorgen um dich, Lauren. Geht es dir gut?«
    »Ja, alles O. K. Das Leben geht weiter, wie du siehst. Aber für heute breche ich meine Zelte hier ab.« Weiß Gott, wie lange ihr die beiden schon zugeschaut hatten.
Zürich
    Es war nicht das erste Mal, dass Francesca einen Kunden im VIP Terminal der Jet Aviation FBO am Flughafen Zürich abholte. Aber es war das erste Mal, dass sie in einer Maybach Limousine zu einem Treffen chauffiert wurde. Die dicken, weißen Lederpolster, die elegant unter schwarz-golden glänzenden Graniteinlagen verborgene Bar, der Flachbildschirm, das schalldichte Fenster zum Fahrerbereich, alles diente nur dem diskreten Komfort für verwöhnte Passagiere. Und trotzdem fühlte sie sich unbehaglich. Nervös kontrollierte sie Lippen und Augen im Spiegel, strich einmal mehr das schlichte, schwarze Jerseykleid über den Knien glatt und wunderte sich über ihr Verhalten. Die bevorstehende Begegnung mit dem unbekannten Monsieur Vidal verunsicherte sie ein wenig. Ein

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