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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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späten Abend in nackte Angst verwandelt. Angst davor, dass Daisy diese Beziehung nicht ernst nahm, sie vielleicht nur benutzt hatte. Die wunderbaren neuen Gefühle der letzten Tage: ein Strohfeuer, ausgebrannt, bevor es richtig wärmte? Sie verstand nicht, wie sie sich derart irren konnte. Alle Zeichen hatten darauf hingedeutet, dass sie sich blendend verstanden, Geist, Körper, Gefühle nahtlos zusammenpassten. Warum verleugnete sie sich plötzlich? Nur einen Tag hatte sie nichts von ihr gehört, aber sie fühlte sich schon verraten. Unwirsch schob sie den Gedanken beiseite, sie urteilte vielleicht etwas vorschnell. Sie war unglücklich, und sie wollte beleidigt bleiben.
    Ihr Tag hatte gestern so gut angefangen. Noch vor der Kaffeepause, gegen zehn Uhr, hatte sie die letzte Seite ihrer Doktorarbeit korrigiert, zum x-ten Mal geprüft und die Arbeit am wertvollen Dokument endgültig abgeschlossen. Ihre neusten Erkenntnisse und Laurens Anmerkungen waren eingearbeitet. Das Buch, das ihr die höheren akademischen Weihen sicherte, lag auf mehreren CDs bereit zur Publikation. Welch einen Empfang würde sie ihrer Freundin bereiten! Sie ging früh nach Hause, reinigte die ohnehin schon saubere Wohnung auf Hochglanz, stellte fein nach Zitrusfrüchten duftende Lilien ins Badezimmer und bezog das Bett mit frischer Wäsche in zartem Rosa. Sie kaufte frisches Gemüse ein, fein geschnittenes Rindfleisch, Ingwer, Wasabi und ein wenig makellos zartes Thunfischfilet, denn sie hatte eine unbändige Lust, ihre Liebste und sich selbst mit einem opulenten Mahl zu verwöhnen. Alles umsonst. Sashimi und Shabu-Shabu blieben im Kühlschrank, Teetassen und Stäbchen unbenutzt. Auch heute Morgen war ihre Enttäuschung noch keine Spur erträglicher. Das Handy blieb stumm. Noch einmal rief sie an, wieder meldete sich nur ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter.
    Später im Büro musste ihr gekränkter Gesichtsausdruck und die trübe Stimmung den Kollegen aufgefallen sein, denn sie hatte das leise Gefühl, dass man ihr konsequent aus dem Weg ging. Ihr war das nur recht, sie wollte jetzt ohnehin nicht reden. Missmutig machte sie sich auf zur Besprechung in Laurens Büro.
    »Hey, Dr. Dietrich, herzliche Gratulation!«, begrüßte Lauren sie begeistert. »Willkommen im Klub der arrivierten Besserwisser.«
    »Warten wir, was die gnädigen Herren des Promotionsausschusses zur Dissertation sagen«, winkte sie ab.
    »Die werden dir am Schluss die Füße küssen und sich grün und blau ärgern, dass sie nicht selbst auf deine geniale Idee gekommen sind. In Größe und Form programmierbares Nanomaterial, das Öl, Staub, giftige Fasern bindet und unter Einwirkung von Magnetfeldern wieder freigibt, wiederverwendbare Nano-Abfallsäcke sozusagen, mit denen auch großflächige Verschmutzungen eingedämmt und eliminiert werden können. Da steckt ein ungeheures Potenzial drin, Renate. Die Arbeit ist eine wissenschaftliche Sensation.« Lauren hatte recht. Sie müsste sich eigentlich im siebten Himmel wähnen, aber das Lob entlockte ihr nur ein müdes Lächeln. Lauren warf ihr einen besorgten Blick zu. »Was ist los mit dir, freust du dich nicht?«
    »Doch – natürlich. Ich bin froh, dass es geschafft ist.«
    »Aber?«
    »Nichts.«
    »Irgendetwas bedrückt dich. Willst du darüber reden?« Als hätte die nüchterne Feststellung ein Ventil geöffnet, bildeten sich plötzlich Tränen in ihren Augen und sie begann, von ihrer Angst und Enttäuschung zu erzählen. Lauren hörte aufmerksam zu und schaute sie nachdenklich an, als sie geendet hatte.
    »Das ist seltsam«, murmelte sie nach einer Weile. »Ich glaube nicht, dass sie dich einfach versetzt hat. Ich kenne sie zwar nicht so gut wie du, aber – nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin sicher, es gibt eine plausible Erklärung.«
    »Eben, die fürchte ich ja.« Lauren schüttelte den Kopf und entgegnete zögernd:
    »Das meine ich nicht. Ich glaube eher, sie kann jetzt aus irgendeinem Grund nicht kommunizieren.«
    »Oh, mein Gott!«, rief Renate entsetzt. »Warum sagst du so etwas?«
    »Du hast doch auch längst an diese Möglichkeit gedacht. Wir müssen ja nicht gleich das Schlimmste annehmen. Vielleicht haben sich neue Erkenntnisse ergeben, die sie vollständig absorbieren, was weiß ich.«
    »Oh, mein Gott«, wiederholte Renate leise. »UNEP! Ich rufe ihr Büro in London an.« Lauren legte die Hand beschwichtigend auf ihren Arm und antwortete ruhig:
    »Ich habe eine bessere Idee. Ich rufe Charlie an.

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