Die Prophetin vom Rhein
sagte sie. »Und die Meinung der anderen, die ich nicht kenne, interessiert mich erst recht nicht. Lass mich doch einfach in Ruhe, Peter! Mehr will ich gar nicht.«
Langsam hob er seine rechte Hand, berührte kurz ihr Haar. »Gefallen tust du mir noch immer«, sagte er, »trotz allem. Dafür kann ich nichts. Ich krieg dich einfach nicht aus meinem Schädel. Das ist das, was mich so ärgert. Und wenn du nur wolltest, Theresa …«
Sie schüttelte den Kopf, setzte ihren Weg fort, ohne nach links oder rechts zu schauen.
»Ich könnte dich zwingen.« Er war ihr hinterhergerannt, packte ihren Arm und hielt sie fest. »Und noch zu ganz anderen Dingen! Manche Henker lassen einen hinunter ins Loch, wenn man nur genug dafür bezahlt. Dort kann man dann alles mit denen machen, die auf den Scheiterhaufen kommen. Denn das steht dir bevor: Brennen wirst du, brennen bei lebendigem Leib …«
Sie rannte davon. Peter blieb ihr auf den Fersen. Der Korb schlug hart gegen ihre Waden, und natürlich wäre sie um einiges schneller gewesen, hätte sie die Last einfach zurückgelassen. Aber was hätte Adrian dazu gesagt?
Theresas Vorsprung wurde vorübergehend größer. Sie hatte ein paar Haken geschlagen, die Peter offenbar verblüfften, denn er kannte sich im Gassengewirr deutlich schlechter aus als sie. Schwer atmend blieb sie stehen und
versuchte, sich zu orientieren. Dort drüben - der Flachsmarkt! Am Rand des kleinen Platzes standen die lang gestreckten Lagerhäuser der van Gents.
Eine grobe Faust riss sie nach hinten.
»Weshalb eigentlich noch bis zum Scheiterhaufen warten?« Peters schweißnasses Gesicht war auf einmal gefährlich nah. »Wo ich doch jetzt schon haben kann, was mir seit Langem zusteht …«
Es hatte sie schon einmal gerettet. Es musste auch ein weiteres Mal gehen: Theresa hob das Knie und stieß zu, genau zwischen seine Beine.
Peter jaulte auf, presste die Hände gegen seinen Schritt.
Sie rannte los, auf den nächsten Eingang zu.
»Aufmachen!« Mit den Fäusten trommelte sie gegen das Holz. »Hilfe, Hilfe! Er will mich …«
Sie stürzte nach vorn, als die Tür aufgerissen wurde, direkt in Willems Arme.
»Theresa!«, rief er. Er musterte ihr Gesicht. Dann streifte sein Blick ihre Brust, die sich unter dem Umhang schnell hob und senkte. »Was ist geschehen? Hat man dir etwas getan?«
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Peter bei Willems Anblick davonschlich.
»Nur ein räudiger Köter«, sagte sie mit einem verunglückten Lächeln. »Kann ich mich kurz bei dir ausruhen?«
Er nickte und ließ sie los. Doch in seinem Gesicht las sie, dass ihn etwas bedrückte.
»So rede schon!«, sagte Theresa. »Was hast du?«
»Was will dieser Küfer von dir? Ich hab ihn sofort wiedererkannt. Bist du ihm noch etwas schuldig?«
»Nein«, sagte sie wegwerfend. »Mit Peter und mir ist es längst aus und vorbei. Das weißt du doch! Ich habe keinerlei Geheimnisse vor dir.«
»Wieso schleicht er dir dann noch immer nach?«
Er klang so hart plötzlich, so abweisend, dass sie wütend wurde.
»Das kann ich dir verraten, wenn du es unbedingt hören willst«, sagte Theresa. »Deine Hure hat er mich genannt. Und die deines Onkels. Ganz Bingen zerreißt sich bereits das Maul über uns. Und bald wird es in Mainz nicht anders sein.« Ihre Stimme wurde brüchig. »Ich hab solche Angst, Willem. Was ist bloß mit uns geschehen?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Aber das bist du nicht!« Er zog sie nah zu sich heran, und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Zärtlich nahm er ihre Hand. »Du bist das Beste in meinem Leben. Meine wunderschöne Braut. Alles, was ich habe. Alles, was mich … von der Schwärze trennt.«
»Welcher Schwärze, Willem?« Beunruhigt hob sie den Kopf. »Was quält dich? Sag es mir!«
Anstatt einer Antwort spürte Theresa seine Lippen auf ihrem Mund, fordernder und leidenschaftlicher denn je zuvor. Seine Hände schälten sie aus dem Umhang, dann schoben sie sich unter ihr Kleid. Wie warm und groß sie waren! Sie wünschte sich, sie überall zu spüren, ohne den störenden Stoff, der nur noch im Weg war. Willem schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn er löste sich von ihr.
»Nichts«, hörte sie ihn murmeln. »Wenn du bei mir bist, ist alles genauso, wie es sein sollte. Aber was wir jetzt brauchen, ist ein besonderes Hochzeitslager. Ich weiß auch schon, was es sein muss. Warte einen Augenblick!«
Sie sah ihn nach nebenan laufen, in einen zweiten Raum mit vielen Truhen und rohen
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