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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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entdeckt, hätte er 1928 vor seinem Urlaub aufgeräumt. Nur so hätten die Schimmelpilze überhaupt Gelegenheit gehabt, sich zu vermehren und ihre Wirkung zu entfalten.
    Sie hörte noch immer sein Lachen, wenn er solche Vorträge hielt. Klar, Ben war eine Nervensäge, jemand, den man nicht länger als zehn Minuten ertrug. Aber jetzt, wo er nicht da war, vermisste sie seine Kommentare.
    Und das Zimmer jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Denn es wirkte so unbewohnt, so kahl und leer, als ob sein Bewohner ausgezogen oder – verstorben wäre. Die Bücher in den Regalen waren verschwunden, keine Papiere, kein Kleidungsstück lagen herum.
    Einzig dieser süßliche, irgendwie staubige Geruch war geblieben, der von dem Zeug kam, das er inhalierte. Hanf, Tabak – weiß der Teufel, womit er seine Lunge und seine Gehirnzellen quälte. Und diesen Geruch wurde man vermutlich erst wieder los, nachdem man eimerweise frische Farbe an die Wand geklatscht hatte.
    Katie bekam ein flaues Gefühl im Magen.
    Die Bettwäsche am Grace wurde alle vierzehn Tage gewaschen und das war erst vor wenigen Tagen gewesen. Aber Benjamins Bett war abgezogen.
    Das sah nach Abschied aus.
    Und noch etwas. Sie konnte seine Videokamera nicht entdecken. Doch Benjamin und seine Kamera – sie waren unzertrennlich.
    Wie sagte er immer?
    »Ich bin der Einzige von uns, der die Welt mit drei Augen sieht.«
    »Ach was«, hatte sie entgegnet, »du schießt deinen Verstand in den Wind, indem du dir die Birne zuknallst, und dann behauptest du wie alle Psychos und Verrückten der Welt, du würdest mehr sehen als andere.«
    »Und was ist mit dir? Kletterst schweißgebadet free solo Steilwände hoch, schrammst jedes Mal gerade so am Tod vorbei, weil du nur auf diese Art checkst, dass du existierst. Das ist der Kick, den du brauchst. Adrenalin ist auch eine Droge.«
    »Aber ich habe wenigstens die Chance, rechtzeitig abzukratzen, bevor ich alt und dement werde, während du dein Gehirn langsam dem Untergang weihst, vergiss das nicht.«
    Benjamin hatte gegrinst und auf die Kamera gedeutet: »Werd ich nicht, Katie. Ich habe jedes Wort von dir auf diesem Ding hier. Die Kamera ist mein Gedächtnis, meine externe Festplatte, mein Memorystick. Was meinst du, Robert? Wird es irgendwann eine Schnittstelle zum menschlichen Gehirn geben, damit man vergessene Daten laden kann?«
    »Ja«, hatte Robert erwidert und sein Blick war so ernst gewesen, dass Katie nicht an seiner Aussage zweifelte. »Aber das geht nicht elektronisch, sondern nur über die Chemie.«
    Wann hatten sie diese Unterhaltung geführt? Vor fünf, sechs Tagen vielleicht. Es schien ihr plötzlich ewig lang her zu sein.
    Konzentrier dich, Katie. Was auch immer Ben passiert war, sie würde es herausfinden, wenn sie die verfluchte Kamera fand.
    Wo konnte sie sein?
    Sie wandte sich Bens Schreibtisch zu und zog die Schublade heraus. Sie war vollkommen leer. Auch in dem Fach rechts – nichts.
    Benjamin hatte sie weder heute Mittag am See dabeigehabt noch als er vorhin in den Seminarraum gestürmt war, als würde er Amok laufen.
    Der Kleiderschrank. Sie zog die linke Seitentür auf.
    Ihr Blick fiel auf zusammengefaltete Hosen und Pullover, gebügelte Hemden und sorgfältig gestapelte farbenfrohe Unterwäsche.
    Sehr farbenfroh.
    Aber keine Spur von der Kamera.
    Die mittlere Tür klemmte, und als Katie sie öffnen wollte, gab sie ein quietschendes Geräusch von sich. Erst nach dem vierten Versuch schwang sie auf. Ein muffiger feuchter Geruch schlug ihr entgegen, der vermutlich von den Socken kam, die in den hohen Boots steckten. Angewidert betrachtete sie die total verdreckten Schuhe. Wo war Benjamin mit denen herumgelaufen? Sie waren bis zu den Knöcheln mit einer rötlich braunen Sandschicht bedeckt.
    Sie hob sie hoch.
    Himmel, die waren ja megaschwer.
    Als wären sie aus Stein. Tatsächlich rieselten winzige Steinchen herunter, als sie sie zurückstellte.
    Und wo war die Fuck-Kamera?
    Katie sah sich unschlüssig um.
    Ihr Blick fiel auf Bens Rucksack, der auf dem Schrank lag. Mit ihm war er hoch auf den Ghost gestiegen. Der Reißverschluss des obersten Faches stand offen. Katie schob den Stuhl heran, stieg darauf und hob den Rucksack herunter. Und sie war völlig verblüfft, als sie begriff, dass er vollgepackt war. Sie zog einige Kleidungsstücke heraus – Bens absolute Favoriten oder, wie er es nannte, Blockbuster im Kleiderschrank. Ungeduldig wühlte sie im obersten Fach des Rucksacks herum und entdeckte

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