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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Jetzt war ein strategischer Rückzug angebracht.
    »Mein Name wird gerade aufgerufen. Ich verpasse meinen Flug.«
    »Wenn Sie auf mich hören, Eden«, flüsterte die Krankenschwester in den Hörer, »dann kommen Sie, so schnell es geht, hierher.«
    Es war, als wolle die Natur die schlechten Nachrichten aus dem Krankenhaus Lügen strafen. Der Nebel hatte sich vollständig aufgelöst. Der Himmel war strahlend blau und fast wolkenlos. Die Sonne schien warm und angenehm auf der Haut.
    Die Landschaft um sie herum war wüst und urwüchsig. Überall ragten knorrige Wacholderbüsche aus der Schneedecke.
    Katie steckte ihr Handy in die Tasche und blickte hinüber zum Solomonfelsen, der wie eine Nase in den See hineinragte. Stärker als sonst nahm sie die Landschaft wahr. Sie fühlte sich seltsam entwurzelt, wie die Bäume, die der Sturm am Remembrance Day überall im Tal gefällt hatte. Hier im Sperrbezirk hatte sie niemand beiseitegeräumt. Vielleicht wollte man der Natur freien Lauf lassen. Alles sollte zuwuchern. Den Zugang versperren.
    Ihr Blick flog zu den weißen Gipfeln des Ghostmassivs. Dort oben hatte sie in der Gletscherspalte Ana das Leben gerettet.
    Ana.
    Benjamin.
    Sebastien.
    Jeder war auf seine Weise auf ihre Hilfe angewiesen.
    Und was tat sie? Sie dachte nur an Flucht.
    Das war nicht normal.
    Sie war nicht normal.
    Und ihr Inneres war schwarz wie Teer – huuu –, wer hat Angst vor Katie?
    Sie hatte ihre Eltern damit zur Verzweiflung gebracht. Aber – das hatten die sich selbst zuzuschreiben, oder? Katie hatte ihre Kindheit in Apartments verbracht mit Aufzügen, Sicherheitsbeamten, Dachterrassen. Man hatte sie in diese grässlichen Kleidchen gesteckt in Farben, die sie aussehen ließen wie eine menschliche Mutation von Cupcakes.
    Sie durfte nie zu Fuß durch die Stadt gehen – außer durch die Shoppingmalls.
    Sie konnte nie Fahrrad fahren, Schlittschuh laufen, surfen oder Snowboard fahren. Ehrlich gesagt – Katie hatte sich jahrelang gefühlt wie ein Haustier.
    Sie war kein Haustier.
    Und schon gar kein rosa, zuckersüßer Cupcake.
    Nicht mehr.
    Es war Robert, der den Weg vorgab. Er machte sich doch tatsächlich daran, den schmalen Pfad neben der Hütte hinunter zum Ufer des Lake Mirror zu gehen.
    »Was macht er da?«, fragte sie. Bis zum Solomonfelsen war das Ufer eine einzige Steilwand. Im Sommer war Katie dort manchmal geklettert, aber jetzt war das Gestein nass und rutschig und an manchen Stellen bestimmt noch mit einer unsichtbaren Eisschicht überzogen. »Spinnt er? Die Steine sind nass und rutschig und mit Sicherheit vereist.«
    David nickte. »Robert, das ist zu gefährlich«, rief er. »Wir müssen oben durch den Wald gehen.«
    Robert blieb stehen, schüttelte den Kopf und wandte sich nicht einmal um, als er rief: »Nein, obenherum verlieren wir einfach zu viel Zeit und ich bekomme keine genauen Daten.«
    »Daten wofür?«
    Statt einer Antwort verschwand Robert um die nächste Biegung des Pfades. Katie folgte ihm. Vor ihnen versperrten einige riesige Gesteinsbrocken die Sicht, dahinter lag der See. Und zu ihrer Linken erhoben sich die glatten Felswände.
    »Robert, das ist eine Sackgasse!«
    Er achtete nicht auf sie, sondern kletterte auf einen der Gesteinsbrocken. »Wie ich mir gedacht habe«, sagte er zufrieden.
    »Was hast du dir gedacht?«
    Robert ließ sich auf der anderen Seite des Felsens hinunter und verschwand.
    »Was zum Teufel?«, zischte David durch die Zähne. »Wenn er nicht aufpasst, geht er baden.«
    Doch zu ihrer Verblüffung tauchte Roberts Kopf hinter dem Felsen auf. »Katie, du hast doch vorhin von einem zugefrorenen Uferstreifen erzählt, den Ben gefilmt hat. Hier hast du ihn! Der See ist tatsächlich im Schatten der Steilwand vereist. Wir können ganz bequem zum Solomonfelsen hinübergehen.«
    »Ja, so bequem, bis wir einbrechen«, knurrte Katie. »Aber was soll’s? Dann schwimmen wir einfach weiter.«
    Schimpfend folgte sie Robert über den Felsen, an dessen anderer Seite sie zum zugefrorenen See hinunterkletterte. Aber als sie mit den Füßen das Eis vorsichtig prüfte, musste sie zugeben, dass Robert recht hatte. Auch wenn auf der Mitte des Lake Mirror nicht einmal Eisschollen trieben, gab es hier an der Steilwand einen breiten Streifen, der fest wie Beton war.
    David kam hinter ihr über den Felsen, und als sie sah, dass er Mühe hatte, nach unten zu klettern, half sie ihm. Robert lehnte an der Steilwand, checkte schon wieder seine Uhr und trug etwas in sein Notizbuch

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