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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Worte nicht hören, und trat dann rasch auf die Lichtung.
    »Also schön, dann wollen wir mal wieder. Ich will heute alle Grenzposten kontrollieren, angefangen mit denen im Westen.«

    Sie begannen, zu packen und ihre Pferde zu beladen, die, wie sich herausstellte, weiter unten an einem Wasserlauf nördlich der Lichtung angebunden waren.
    Leof brach als Letzter auf. Zwar schaute er sich nicht um, hob aber die Hand wie zum Gruß, bevor er außer Sichtweite ritt. Damit konnte sie umgehen. Der Anblick seines mit den Bewegungen des Pferdes auf- und abhüpfenden Pferdeschwanzes füllte ihre Augen mit Tränen.

Ash
    Während der Morgendämmerung war der Himmel verschwenderisch in Rosa und Gold getaucht und erhellte die weit entfernten Berge wie ein Leuchtfeuer. Der Wind trug die Bergluft mit einem Hauch von Kräuterbüschen und Blumen herbei, Thymian, Salbei, Stechginster. Unter diesem Duft lag der Geruch von trockener Erde. Scharen von Wildgänsen erhoben sich im Sonnenaufgang von einem schmalen, sich lang hinziehenden See; Schlag um Schlag stiegen weiße Vögel mit schwarzen Flügelspitzen in die Luft hinauf und wandten sich gen Süden, weg von der herbstlichen Kühle. Ihre Schreie betäubten Ash, und der von ihren Flügelschlägen verursachte Wind streifte sein Gesicht. Martine und er standen reglos da und sahen zu, wie die Vögel außer Sichtweite flogen. Ihre Schreie waren noch eine Zeit lang zu hören, als sie selbst schon verschwunden waren.
    Zurück in den Süden auf dem Rücken des Windes
Zu Hause im Hochland der Luft,
Wild wie der Seehund, der vom Eis springt,
Sind Vögel des Herbstes, bar jeder Sorge.
    »Das kenne ich nicht«, sagte Martine.
    »Es stammt aus Foreverfroze. Ein Lied vom Volk der Seehundmutter«, sagte Ash. »Das ist eine freie Übersetzung.«

    »Keiner ist wirklich ohne Sorgen«, sagte Martine. »Nicht auf dieser Seite des Todes.«
    »Oder auf der anderen. Diese Geister wollten Rache . Tausend Jahre später! Wie kann das Bedürfnis nach Rache so lange andauern?«
    »›Alte Rache schmeckt süßer‹,« zitierte Martine.
    »Das ist ein Sprichwort des Eisvolks. Nicht eines von uns. Wie kann es sein, dass keiner der Überfallenen wiedergeboren wurde?« Er hoffte inständig, dass sie eine Antwort darauf wusste. Denn wenn kein Geist von den ihres Landes beraubten Menschen wiedergeboren worden war, würde dies sicher bedeuten, dass Wiedergeburt bloß ein Märchen war, eine Hoffnung für die Hoffnungslosen in finsteren Zeiten.
    »Ein paar wurden es ja vielleicht. Kennst du Lieder über die Einnahme von Spritford? Darüber, wie viele getötet wurden?«
    Ash dachte eine Weile nach. Liedfragmente hallten in seinem Kopf wider, über die Einnahme der Siedlungen am Fluss Sharp und weiter westlich in Richtung des Gebirges. Doch diese Lieder waren lediglich ein paar Hundert Jahre alt, begriff er anhand ihrer Phrasierung, da dieser Teil des Landes erst im späteren Verlauf der Invasion eingenommen worden war.
    »Na ja, vor tausend Jahren war es nicht«, sagte er fast widerstrebend. »Da gibt es ein Lied.« Er machte eine Pause, während der er angestrengt nachdachte und die Worte leise vor sich hinmurmelte. »Siebenundvierzig der Feinde gefallen«, sagte er schließlich.
    »Siebenundvierzig?«
    Ash nickte.
    »Es waren aber bloß neun Geister. Nur neun trugen genug Hass in sich, um der Wiedergeburt zu widerstehen, um
sich auf der Suche nach Rache von ihr abzuwenden. Die anderen wurden wiedergeboren, verlass dich darauf«, sagte Martine. Zwar fühlte er sich durch ihre Worte etwas aufgemuntert, doch unter seinem Optimismus verbarg sich ein Schrecken; der älteste aller Schrecken, die Angst der Toten vor dem Dunkel jenseits des Grabes, vor irgendetwas dort draußen.
    Denn irgendetwas war dort draußen.
    »Können wir jemanden warnen?«, fragte Ash.
    »Spritford wird Nachrichten senden.«
    »Wir wissen mehr.«
    »Wir sind Wanderer.«
    Ash nickte. Wanderer waren schon an sich verdächtig, wurden grundsätzlich nicht geachtet. Sogar Steinedeuter. Falls sie versuchten, dem einheimischen Kriegsherrn etwas von sprechenden Geistern und bösen Zauberern zu erzählen, würden sie von Glück reden können, wenn sie einer Tracht Prügel entgingen. Vielleicht würde der Kriegsherr sogar beschließen, dass sie das ganze Problem verursachten, und dann wären zwei Garotten eine schnelle Lösung.
    Sie rasteten ein paar Stunden. Ash schlief unruhig. Die Stimmen der Toten hallten in seinen Träumen wider und ließen ihn immer

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