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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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hatte auch nie eine Geliebte. Er gab ihr ein Dach über dem Kopf und sorgte fast immer dafür, dass etwas zu essen auf dem Tisch war. Aber wenn nur wenig Regen fällt und die Steuern hoch sind, ist es schwierig, sich mit der Landwirtschaft den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Als die beiden starben, hinterließen sie nichts.
    Also ging ich in die Festung und wurde als Bursche des Pfeilmachers eingestellt. Klebstoff machen - bei den Göttern, was für Kopfschmerzen ich dabei bekam! - und Geflügel rupfen. Das waren nicht bloß Hühner, sondern auch große Vögel - Raben, Habichte, wenn wir welche erwischen konnten, Waldhühner, Fasane. Aber nie Eulen. Eulen bringen Unglück und sollten in Ruhe gelassen werden. Einem Pfeil, der mit einer Eulenfeder bespannt ist, kann man nicht trauen. Dieses Leben war gar nicht so übel. Ich bekam zu essen und hatte einen Platz zum Schlafen, auf dem Boden
des Pfeilmacherschuppens. Der alte Pfeilmacher schlug mich nur, wenn ich einen Fehler gemacht hatte.
    Nach ein paar Jahren hielt er mich dazu an, selbst Pfeile zu machen, und dabei ging alles schief. Ich kann nämlich nicht so gut nah sehen. Zwar kann ich aus einer Meile Entfernung einen Habicht von einem Milan unterscheiden, aber alles, was näher ist als mein ausgestreckter Arm, ist ein bisschen unscharf. Beim Pfeilmachen braucht man aber gute Augen für die Feinarbeit. Also bekam ich eine Menge Dresche, bevor sie es herausfanden, und dann steckten sie mich, da ich schnell gewachsen war, als Laufbursche zu den Männern des Kriegsherrn.
    Im Rückblick weiß ich, dass es dort eine furchtbare Zeit war, aber damals wusste ich es nicht besser. Diese Männer waren Trunkenbolde - Rabauken ohne Disziplin und ohne Stolz. Ohne Ziel. Ich war noch nicht erwachsen genug, um mich dort zu behaupten, und deshalb bekam ich das, was alle Jungen von ihnen bekamen, und damit meine ich nicht bloß die Drecksarbeit. Ich wurde immer wieder verdroschen, angepisst, beleidigt. Damals war mir noch nicht klar, dass es die Trunkenbolde waren, die sich dafür hätten schämen sollen. Ich wusste nicht, wie sich richtige Männer verhielten.
    Dann kam der Tag, an dem meine Lady Sorn verheiratet wurde. Ihren Mann hatte ich noch nie gesehen, bloß gehört, dass er viel älter war als sie und von den Bergen stammte. Für mich bedeutete es bloß, dass die Männer noch tagelang nach der Hochzeit betrunken waren und ich noch viel mehr Erbrochenes beseitigen musste als sonst.
    Eine Woche nach der Hochzeit kam er ins Wachhaus. Mein Lord Thegan. Er stellte sich in die Tür, die Sonne in seinem Rücken. Einer seiner Männer hatte gerade einen Nachttopf über meinem Kopf ausgeleert, und ich stand wie
erstarrt da, während mir die Pisse vom Gesicht herunterlief. Bloß Pisse, dank sei den Göttern. Alle lachten. Da stand er in der Tür, ganz sauber und ordentlich und … makellos, irgendwie, und schaute die Männer an, einen nach dem anderen. Die Hälfte von ihnen versuchte, Haltung anzunehmen, die anderen waren so heftig am Lachen, dass sie ihn nicht einmal wahrnahmen.
    Er schaute mich an. Ich wurde knallrot und rechnete damit, dass auch er lachen würde, und hatte das Gefühl, dies nicht ertragen zu können
    Er lächelte mich an. Es war ein aufrichtiges Lächeln. »Wie heißt du, Junge?«
    »Horst«, sagte ich.
    Er nickte. »Sind sie immer so, Horst?«
    Ich zuckte mit den Achseln. Aber er schaute mich immerzu an und lächelte, als wären wir Freunde, als begreife er alles, was mir angetan worden war. Und ich glaube, das tat er auch. Also nickte ich. »Meistens. Heute ein bisschen schlimmer als sonst, wegen des Zechgelages nach der Hochzeit.«
    »Die Hochzeit war vor einer Woche«, sagte er leise.
    Der Ton in seiner Stimme sorgte dafür, dass die Männer im ganzen Wachhaus plötzlich aufstanden, bemüht, dabei nicht umzufallen, und ihr Bestes gaben, um einen nüchternen Eindruck zu machen.
    »Die Hochzeit war vor einer Woche«, sagte er erneut, und die Verachtung, die in seiner Stimme lag, ätzte wie Säure. »Ich schäme mich für euch.« Er sprach die Worte einzeln und langsam aus und schaute dabei jedem in die Augen. Als er fertig war, senkten wir alle den Blick und schämten uns.
    Dann kam er zu mir herüber. Zu mir . Er schlug mir auf die Schulter und sagte: »Aber für dich nicht, Bursche. Das ist alles nicht deine Schuld. Geh, und wasche dich.«

    Beflügelt von seinen Worten, machte ich Anstalten zu gehen. Mein Herz machte Freudensprünge.
    »Und Horst«, fügte er

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