Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
ich weiter unterrichten.“ Shalyna wedelte während des Sprechens mit ihren Händen in der Luft. Ihr fiel etwas ein: „Manchmal passieren dabei aber auch komische Dinge, die ich nicht so recht deuten kann.“
Nickala zog fragend die Stirn hoch und wartete auf die Fortsetzung.
„Ach, da war eben so eine Situation. Der kleine Janis hatte mit einer kurzen Wissensüberflutung zu kämpfen. Als ich ihn tröstete, lief er puterrot an. Ist Jungs sowas unangenehm?“
Nickala lachte herzhaft los. „Ach Shalyna, du Dummerchen. Glaub doch endlich, dass du beneidenswert gut aussiehst, auch wenn du dich in Lumpen hüllst. Und dazu noch so nett bist. Das kann schon mal zu viel für einen Jungen werden.“
Scherzhaft boxte Shalyna Nickala in die Seite. „Hör auf, fang nicht wieder damit an. Wahrscheinlich war es ihm peinlich, dass ich ihn wie ein kleines Baby gestreichelt habe. Egal. Wollen wir zusammen essen?“
„Na klar, wo geht´s hier wohl lang?“
„Wer zuletzt da ist, muss abräumen.“ Shalyna drängte Nickala zurück und rannte los.
***
Sein Blick hing an den roten Farbmustern der schwarzen Wände aus groben Felsblöcken. Ein schmaler Lichtschacht führte schräg nach oben und versorgte seine Zelle mit einer kargen Ration Tageslicht.
„Darum sollt ihr auf Tandoran vor allem stärker werden. Jeder achte bei sich darauf, Herrschaft, Kraft und Reichtum zu mehren. Macht euch die Welt ...“
Die Lehren des Mansils waberten wie üblich durch sein Gefängnis. Die Quelle war ein leiernder Plattenspieler, der hinter seiner Zellentür aufgestellt war. Den ganzen Tag über wurde Ethan so beschallt. Eine Pause trat nur ein, wenn der mechanische Antrieb des Plattenspielers neu aufgezogen werden musste. Manchmal, wenn sein Wärter gerade woanders weilte und nicht gleich dieser Aufgabe nachkommen konnte, hatte er für einige Minuten völlige Ruhe. Die schönsten Momente des Tages. Auch nachts leierte der Kasten ununterbrochen.
Unterstützt wurde der Apparat bei seinen Einflüsterungen von einem Sayloqstein unter seinem Bett. Ethan blickte auf seine ansonsten sehr bequeme Schlafstatt. Aber der Sayloq, unmittelbar unter seinem Kopfkissen in das Bettgestell eingelassen und vollgestopft mit allen Lehren des Mansils, führte bei ihm zu einem unruhigen Schlaf voller Albträume. Schon der Gedanke ans Einschlafen ängstigte ihn seit Jahren.
Er hatte mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen. Doch das hatte sein Bruder nie zugelassen. Ethans Lebenswille lief vollends aus, als er von ihrem Tod erfuhr. Einmal gelang es ihm, eine Gabel zurückzuhalten. Doch der Wärter bemerkte seinen Fehler schnell und kam hastig in die Zelle zurückgestürzt. Dabei bestand gar kein Grund zur Eile, das Essbesteck war bewusst so stumpf gehalten, dass man sich damit kaum etwas antun konnte. Überall war die Angst vor Mandratan zu spüren, kein Untertan durfte sich einen Schnitzer erlauben.
Ethan saß am Schreibtisch und starrte auf das Buch seines Bruders. Mit 18 Jahren entwickelte Mandratan seine Heilslehre, abgefasst in „Die natürliche Ordnung der Dinge“, basierend auf der Lehre des Mansil. Er schlussfolgerte darin für sich einen Auftrag, über ganz Tandoran zu herrschen. Sein Vater hatte den unheilvollen Weg seines ältesten Sohnes vorausgeahnt, wollte Mandratan zur Umkehr bewegen. Das war ihm nicht bekommen, sobald jener die Gelegenheit gekommen sah, hatte er ihren Vater ermordet und sich selbst als Fürst des Landes eingesetzt. Diese Pyramide an seiner Hand hatte ihm die Möglichkeit dazu verschafft, keiner wagte es aus Angst vor dieser Teufelswaffe, Mandratan zu widersprechen.
Getrieben von einer Zorneswelle spuckte Ethan auf das Bild seiner Mutter, das von einem Glasrahmen geschützt von zwei Leuchtsteinen angestrahlt wurde. Direkt daneben hing ein Bildnis von Mansil. Das Gemälde zeigte den Begnadeten, wie sich eine Lichtflut aus dem Himmel über ihn ergoss. So wollte er seine Lehren empfangen haben.
Doch Ethans Zorn galt seiner Mutter: „Wegen dir hat er Vater getötet. Du hast ihn in seinem Wahn unterstützt, ein auserwählter Herrscher zu sein.“
Aber er wusste, dass auch sein Vater durch seine Erziehung zu Härte und Strenge seinen Anteil daran hatte, dass sein Bruder zu dem Psychopathen wurde, der er jetzt war. Von den Eltern auf Stärke getrimmt, mit ständigen Schlägen erzogen, den größten Anstrengungen ausgesetzt, in eine dunkle Zelle gesperrt, sobald man weinte - was soll da anderes aus einem werden? Ethan hatte
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