Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Opfer bringen«, grinste Birte und ging.
Eine Weile saß Schönlieb in seinem Büro und starrte an die Wand. Ein Plan reifte in ihm. Er erforderte Mut, den er gegenüber Frauen eigentlich nicht hatte, aber er würde nicht nur ein für alle Mal Bianca loswerden und sein iPhone wiederbekommen, nein, er würde auch Lieke wiedersehen. Lieke, mit der er sich auf der Party so gut verstanden hatte, bevor sie plötzlich verschwunden war. Er konnte sich vorstellen, dass sie ihn eiskalt abblitzen lassen würde, doch er musste es einfach versuchen. Bevor er diesmal wieder zu viel nachdenken konnte, nahm er schnell den Hörer in die Hand und wählte die Nummer der Gerichtsmedizin.
Es war gegen Nachmittag, als die Nachricht kam, dass Max seine Aussage zurückgezogen hatte. Man hatte Wallner durch die Flure schreien hören, und man hörte ziemlich genau, wen er dafür verantwortlich machte.
Kurze Zeit später saß Schönlieb zusammen mit Holding und Wallner in Holdings Büro. Wallner hatte einen hochroten Kopf. Er hatte sich mal wieder über eine halbe Stunde lauthals über Schönlieb beschwert. Ihn einmal sogar vor Holding ein arrogantes unfähiges Arschloch genannt. Schönlieb hatte in der Zwischenzeit wie immer aus dem Fenster geschaut. Es schneite. Vielleicht würden sie weiße Weihnachten bekommen. Dann würden die ganzen Leute noch mehr ausflippen. Weihnachten drehten alle durch.
»Christoph, jetzt mal im Ernst: Hast du dem Jungen gesagt, er soll seine Aussage zurückziehen?«, wandte sich Holding schließlich an Schönlieb.
»Ich? Nein, um Himmels willen!«, antwortete er brüskiert und hielt die Hände abwehrend von sich. »Und überhaupt: Ich bin hier doch nicht der Büttel!«
Früher in der Schule, es muss so in der siebten, achten Klasse gewesen sein, da sollte seine Klasse ein Theaterstück aufführen. Vorher waren die Rollen vergeben worden. Schönlieb war viel zu schüchtern gewesen, sich für eine Hauptrolle zu melden, doch er hatte während der Proben und vor allem während der Aufführung in der großen Aula bewundernd auf die Schüler in den Hauptrollen geschaut. Letztendlich war er ein Büttel gewesen, der während des gesamten zweistündigen Stücks genau einen Satz hatte sagen müssen, den er bis heute im Kopf hatte: Hier ist der Büttel!
»Der was?«
»Ich meinte, ich bin doch hier nicht der Arsch für alles, nur weil unser Hauptverdächtigter seine Aussage zurückzieht.« Schönlieb stand auf und ging ein paar Schritte auf Wallner zu. »Ich dachte doch auch, der war’s, und fand’s klasse, wie du das Geständnis aus ihm herausbekommen hast.« Schönlieb klopfte Wallner übertrieben freundschaftlich auf die Schulter. »Aber ein Erfolgsbier gibt es jetzt erst mal nicht«, fügte er an und zwinkerte Wallner zu.
Wallner wäre Schönlieb am liebsten an die Kehle gesprungen.
Kapitel 27
Lieke stand vor Schönliebs Bücherregal. Sie hielt den Kopf leicht schief, um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können. Schönlieb lehnte im Türrahmen und betrachtete sie. Dass sie tatsächlich zugesagt hatte und auch wirklich gekommen war! , dachte er bei sich. Vielleicht war er bei Frauen all die Jahre immer viel zu zurückhaltend gewesen? Es schien ja doch einfacher als gedacht.
Er hatte heute Nachmittag so schnell den Hörer in die Hand genommen und die Nummer gewählt, dass er gar keine Zeit gehabt hatte, über Worte, Konsequenzen oder Enttäuschungen nachzudenken. Er hatte in der Rechtsmedizin angerufen, Kalle nach Lieke gefragt, und nachdem Kalle ein paar Witze gerissen hatte, wie sie Kinder in der Grundschule im Ton von V erliebt, verlobt, verheiratet machten, hatte er Lieke endlich an das Telefon geholt. Schönlieb hatte erst ein bisschen herumgedruckst. Vielleicht hatte er etwas über das Wetter oder Leichen erzählt, das wusste er nicht mehr. Er hatte einfach nur Liekes schönem holländischem Akzent gelauscht. Dann hatte Lieke ihn gefragt, wo er auf der Party von Mitch geblieben war. Auf einmal war er verschwunden gewesen. Sie war noch da gewesen? W ie konnten sich zwei Menschen in einer Dreizimmerwohnung verlieren? Er konnte es noch immer nicht begreifen. Dennoch: Es hatte ihm Mut gemacht, dass sie ihn gesucht und offensichtlich nichts von seinem Absturz mitbekommen hatte, und so war er schlussendlich auf den Punkt gekommen.
»Eigentlich rufe ich auch genau wegen dieses Abends an«, hatte er begonnen. »Da ist … so eine blöde Sache mit der einen Frau passiert.«
»So eine blöde Sache mit
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