Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
einer Frau?«, fragte Lieke zögerlich.
»Ja.« Schönlieb fand, ihr Tonfall war schon etwas kälter und zurückhaltender geworden. Wahrscheinlich hielt sie ihn für einen vollkommenen Idioten, aber jetzt, da er sie angerufen hatte, konnte er nicht einfach wieder auflegen. »Eigentlich trinke ich sonst nicht so viel…und … ich möchte es auch gar nicht auf den Alkohol schieben, also nicht nur , obwohl der sicherlich eine entscheidende Rolle bei dieser unschönen Situation gespielt hat.« Schönlieb lauschte, ob Lieke noch am anderen Ende der Leitung war oder bereits aufgelegt hatte. Hatte sie nicht. »Diese Bianca. Sie war ziemlich … anhänglich und bestimmt, und ich war irgendwie … schwach.«
»Aha«, sagte Lieke ruhig. »Und deshalb rufst du mich während der Arbeit an? Um mir zu sagen, dass du Sex mit Bianca hattest?«
»Nein«, rief Schönlieb und redete schnell weiter, bevor Lieke seinen Anruf missverstehen würde. »Es ist nur so: Blöderweise werde ich sie jetzt nicht mehr los, und sie hat mein iPhone als Geisel.«
»Als Geisel?«, fragte Lieke hörbar irritiert nach.
»Ja, und ich vermisse es schrecklich. Es war mir immer ein sehr treuer Begleiter, und du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich meine Entscheidung an dem Abend bereue. Ich habe die Geiselnehmerin ja selbst in meine Wohnung gelassen«, fuhr Schönlieb fort und hoffte, dass Lieke den ironischen Unterton in seiner Stimme erkannte. »Ich habe sogar den starken Verdacht, dass diese Frau es von Anfang an nicht auf mich, sondern allein auf mein Handy abgesehen hatte.«
»Ja, das klingt plausibel.« Schönlieb konnte ein leises Lächeln in Liekes Stimme hören. »Und was hast du jetzt vor? Hat sie dir schon einen Übergabeort genannt? Und vor allem die Höhe des Lösegelds?«, fragte Lieke gespielt ernst nach.
»Sie will heute Abend zu mir kommen, und ich habe Angst.«
»Angst?« Lieke lachte kurz auf.
»Ich fürchte, sie will statt Lösegeld … Zuneigung. Aber die kann ich partout nicht empfinden – nicht für die Geiselnehmerin meines iPhones.«
»Nein, das verstehe ich.«
»Und ich habe mir da so einen doofen Plan ausgedacht, wie ich ihr klarmachen kann, dass sie mich am besten nicht mehr besucht, nachdem sie mir mein Handy zurückgegeben hat.«
»Wenn es ein doofer Plan ist, wird er nicht funktionieren.«
»Na ja, er ist nicht schlecht. Das Doofe daran ist lediglich, dass ich dafür eine Komplizin brauche, die ich nicht habe.« Jetzt kam der entscheidende Moment. Schönlieb wippte nervös mit dem rechten Bein. »Ich … brauche eine Freundin, also, eine angebliche Freundin.« Als Lieke nichts darauf erwiderte, sprach Schönlieb einfach weiter. »Du bist … nicht nur die netteste weibliche Person, die ich kenne, auch wenn ich dich ja eigentlich leider noch nicht richtig kenne, aber … also … du bist auch die hübscheste weibliche Person und die Einzige, bei der ich mir vorstellen könnte, dass …« Schönlieb war inzwischen fürchterlich rot angelaufen. Das konnte Lieke ja aber zum Glück durch das Telefon nicht sehen. »Und wenn der Plan funktionieren soll, dann brauche ich dich.«
Auf einmal fing Lieke an zu lachen. Es war ein schönes Lachen gewesen, etwas rauer und kräftiger, als er ihr zugetraut hätte, ein Lachen, das er so schnell nicht vergessen würde und das er gerne noch oft hören würde.
Dann hatte sie einfach »Okay« gesagt.
»Meintest du nicht, du musst dich um die Kartoffeln kümmern?«, fragte Lieke und schaute vom Bücherregal kurz auf. Die Kartoffeln! Und die Yorkshire-Puddings! Nach ihrem Okay hatte sie noch eine Bedingung gestellt – als Gegenleistung wollte sie etwas Leckeres zu essen, dann seien sie im Geschäft! Natürlich hatte Schönlieb zugesagt. Dass er auf die Idee nicht selbst gekommen war! Allerdings hatte er überhaupt keine Erfahrung mit Kochen. Seine bisherigen Kochversuche beschränkten sich auf genau zwei Gerichte: Eines – Nudeln mit Schinken-Sahne-Soße – hatte er von seinem Vater gelernt. Das hatte es damals, als er noch zu Hause gewohnt hatte, so gut wie jeden zweiten Tag gegeben. Das zweite hatte er von seiner Oma gelernt: Pfannkuchen. Zählte Pfannkuchen überhaupt als »Gericht, das man kocht«? Nach der Arbeit war er also zusehends panisch in die nächste Buchhandlung gelaufen und hatte sich bei den Kochbüchern umgeschaut. Schlussendlich war er mit Jamie Olivers 30-Minuten-Menüs wieder aus dem Laden herausgekommen. Das Versprechen, Drei-Gänge-Menüs in nur
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