Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
dreißig Minuten zu kreieren, war doch sehr verlockend gewesen. Schon in der Buchhandlung hatte er sich für gebratene Rinderfilets, Mini-Yorkshire-Puddings, junge Möhren, Röstkartoffeln, Brunnenkressesalat und superschnelle Bratensoße entschieden. Dann war er mit aufgeschlagenem Buch durch den Supermarkt gelaufen und hatte alle Zutaten besorgt. Na ja, fast alle. Rotschalige Kartoffeln? Von denen hatte er noch nie gehört, und finden konnte er sie erst recht nicht. Er musste also auf normale Kartoffeln zurückgreifen, die er allerdings schälen musste. Allein dafür hatte er schon fast eine halbe Stunde benötigt, weil er sich dabei nicht gerade geschickt angestellt hatte.
Als Lieke bei ihm geklingelt hatte, war er gerade erst dabei gewesen, das Fleisch in die Pfanne zu legen, und das Erste, was sie gesagt hatte, kaum dass sie einen Schritt in die Tür gesetzt hatte, verbesserte die Gesamtsituation auch nicht gerade.
»Hier riecht es aber fleischig! Oje, ich hoffe, du machst nichts mit Fleisch!« Sie hatte Schönlieb mit großen Augen angesehen. »Hatte ich nicht gesagt, dass ich Vegetarierin bin?«
So viel zum Rinderfilet.
Auch der ganze Rest der Zubereitung hatte viel länger gedauert als bei Jamie Oliver. Statt der versprochenen halben Stunde war er jetzt insgesamt schon eineinhalb Stunden dabei, und das Ende kam erst so langsam in Sicht. Allerdings hatte ihn das nicht gestört. Lieke und er hatten zusammen gelacht, und die Stimmung war mit jeder verkochten Minute ein bisschen lockerer geworden. Und jetzt hatte er, während er Lieke beobachtete, wie sie sein Bücherregal inspizierte, völlig vergessen, dass er gerade die Yorkshire-Puddings im Ofen und die Kartoffeln in der Pfanne hatte. Erst ihre Frage hatte ihn wieder daran erinnert.
Schnell rannte er in die Küche. Aus dem Ofen qualmte es schon ein wenig, und einige der Kartoffeln hatten bereits arg dunkle Stellen bekommen. Hastig stellte er den Ofen und den Herd aus, zog das extra an diesem Nachmittag gekaufte Muffinblech mit den Puddings aus der Röhre und betrachtete sein Werk. Konnte man noch essen, wunderbar. Er schaute ins Buch. Als Nächstes war der Salat dran.
Schönlieb wusch gerade die Brunnenkresse, die irgendwie ziemlich lustig aussah, als es plötzlich an der Tür klingelte, und Schönlieb fiel wieder ein, dass er ja noch weiteren Besuch erwartete. Bianca.
Schönlieb legte die Brunnenkresse beiseite, ging durchs Wohnzimmer, wo er und Lieke einen verschwörerischen Blick austauschten, und stand schließlich vor der Tür, die er langsam öffnete.
»Chriiiiistoph!«, schrillte es ihm entgegen. Biancas grinsendes Gesicht war stark geschminkt. Sie hatte zu Hause wohl im Dunkeln vor dem Spiegel gestanden, und Schönlieb fand, dass sie so etwas von einem tragischen Clown an sich hatte. Sie trug einen bis zu den Knien reichenden Pelzmantel an. Einen Pelzmantel! Geht ’ s noch? Zu allem Überfluss sah es verdammt noch mal so aus, als wenn sie unter dem Pelzmantel nackt war. Weder oben am Hals noch unten an den Knien oder an den Armenden konnte Schönlieb eine weitere Bekleidungsschicht hervorblitzen sehen.
»Bianca«, sagte er knapp und in einem, wie er hoffte, möglichst neutralen Tonfall. »Nett, dass du mir mein iPhone vorbeibringst.«
»Und nicht nur das!«, säuselte Bianca, zwinkerte Schönlieb zu und fasste mit beiden Händen an das Revers ihres Pelzmantels, als wollte sie ihn in der nächsten Sekunde aufreißen wie einen Theatervorhang. Blitzartig kam ihr Schönlieb zuvor.
»Ansonsten passt es mir leider gerade nicht so gut. Meine … Freundin ist hier«, sagte er einen Tick zu laut, und Lieke trat zu ihm in den Flur, sodass Bianca sie sehen konnte.
Bianca starrte sie entgeistert an. Ihr Mund klappte nach unten. Schönlieb hatte das Gefühl, sie standen sich minutenlang so gegenüber. Die entsetzte Bianca, die lächelnde Lieke und er. Dann zogen sich Biancas Nase und ihre Stirn zusammen, Zorn machte sich breit.
»Ist das dein Ernst?«, schrie sie ihn an. »Gestern vögelst du mich und sagst, du willst mich wieder treffen, und jetzt stehst du hier vor mir und erzählst mir, du hast ’ne Freundin?« Während sie brüllte, wurde sie immer lauter. Weil sie noch im Treppenhaus stand, hallte ihre schrille Stimme durch das ganze Haus und wurde von den Wänden leicht zurückgeworfen. »’ne beschissene Freundin!« Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Da griff sie plötzlich in die Tasche ihres Pelzmantels, zog das iPhone heraus und holte
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