Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
denn?
»Langsam wird es doch ein bisschen störend«, fand Lieke, wurde ein wenig rot und deutete mit dem Kopf in Richtung der Donnerwand. »Wollen wir ins Wohnzimmer gehen?«
»Ja. Klar! Hast recht.« Nein! Nein! Scheiß steifer Penis! Denk an etwas, das dich abtörnt! Komischerweise dachte er sofort an Bianca, aber die half im Moment wirklich nicht. Denk an etwas Schlimmes … etwas Ekliges … irgendwas! Er dachte an Huynh. Daran, wie sie ihn gefunden hatten. Wie er im Wasser lag. Wie ein gefallener Superheld, sein schwarzer Umhang unter ihm. War er noch normal? Er benutzte den Toten, um seine Latte wegzubekommen. Schönlieb fühlte sich mies. Aber es half.
Sie gingen ins Wohnzimmer. Das Donnern verstummte langsam.
»Alles okay bei dir?«, fragte Lieke und sah Schönlieb beinahe besorgt an.
»Ja schon.«
»Aber?«
»Was aber?«
»Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
»Tut mir leid. Ich musste nur gerade an Huynh denken, unsere Leiche.«
»Oh«, sagte Lieke nur. Nach einer kurzen Pause sprach sie ruhig weiter. »Wir haben die Untersuchungen abgeschlossen. Er wird jetzt bald freigegeben für die Familie, zur Beerdigung.«
Es dauerte eine Weile, bis sich die Stimmung zwischen ihnen wieder gelockert hatte. Lieke saß auf dem Sessel, und Schönlieb hatte sich auf das Sofa gesetzt. Zu seiner Überraschung konnte er mit Lieke reden, ohne ständig daran zu denken, ob er etwas Falsches sagte oder etwas Peinliches, wie es sonst bei ihm der Fall war, wenn er mit Frauen sprach, die er attraktiv fand. Lieke hatte etwas an sich, das ihn sich wohlfühlen ließ. Sie gab ihm das Gefühl, dass er eine langjährige Freundin vor sich hatte – eine verdammt attraktive langjährige Freundin. Sie unterhielten sich darüber, dass sie beide Bücher von Haruki Murakami liebten, aber beim Lesen seiner Romane schnell einschliefen. Man hat eh die ganze Zeit das Gefühl, man liest in einem Traum. – Ja, genau, ich träume die Geschichte dann auch immer weiter. Schönlieb erzählte ihr von der Polizeihochschule und welches Glück er gehabt hatte, direkt im LKA anfangen zu können. Er redete von Wallner, dem Arsch, von Holding, Samson und Coskun. Zwischendurch zog sie ihn mit der Bianca-Aktion auf, aber es störte ihn nicht.
Lieke erzählte ihm von ihrer Kindheit in Holland, davon, wie ihre beste Freundin nach Hamburg zum Studieren gegangen war und ihr so viel vorgeschwärmt hatte, dass auch sie irgendwann beschlossen hatte, nach Hamburg zu gehen. Ich dachte, ich schaue es mir mal an. Aber jetzt denke ich schon, vielleicht bleibe ich immer hier. Nur der Regen gefiel ihr nicht so. Der Schnee schon, der Regen nicht. Schönlieb hielt daraufhin in gespieltem Oberlehrerton einen kleinen Vortrag darüber, dass die allgemeinen Regenvorurteile über Hamburg ja völlig unbegründet seien und es nur ein böses Gerücht sei, dass es hier immer regnete.
»Ja, ja. Ich weiß. Und hier gibt es mehr Brücken als in Venedig«, sagte Lieke grinsend. »Wie oft ich mir diese blöde Tatsache in letzter Zeit anhören musste als Beispiel dafür, wie toll Hamburg ist. Hamburg ist toll und hat ganz viele Brücken, aber Venedig ist einfach auch viel kleiner .«
Es war bereits ein Uhr, als Lieke auf die Uhr schaute und sagte, dass sie langsam mal nach Hause müsse. Schönlieb und Lieke gingen in den Flur. Lieke zog ihre Jacke und Schuhe an. Schönlieb überlegte, wie er sich verabschieden sollte. Er verspürte große Lust, sie zum Abschied zu küssen. So wie in amerikanischen Liebesfilmen. Mit glitzernden Augen. Doch er hatte Angst, es zu verderben, gerade nach der Aktion mit Bianca, die nicht das beste Licht auf ihn geworfen hatte. Er beschloss, passiv und zurückhaltend zu bleiben.
Lieke ging aus der Tür und drehte sich um.
»Es war sehr nett heute Abend«, sagte sie und lächelte ihn an.
»Das fand ich auch. Und vielen Dank für die Hilfe mit … du weißt schon.«
»Gerne.« Lieke lachte kurz und leise. »Das war vielleicht eine Szene.«
»Mit Happy End, sogar für den Nachbarn.«
Sie schauten sich kurz schweigend an. Lieke hob ihre Hand und berührte dabei Schönlieb kaum merklich an der Wange. Sie verlagerte ihr Gewicht, und ihr Gesicht kam näher. Schönlieb merkte, wie sein Herz schneller schlug, doch kurz bevor sich ihre Lippen berührten, bewegte Lieke den Kopf leicht zur Seite, drehte ihn und küsste Schönlieb auf die Wange.
»Vielleicht bis bald mal.« Dann drehte sie sich um und ging die Treppen
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