Die Psychonauten
spater.«
Ich war heilfroh, eine Ortskundige bei uns zu wissen. »Und wo befindet sich der Verleiher.«
»Wir müssen noch etwas gehen.«
»Wie sieht es mit fahren aus?«
»Das wäre noch besser.«
»Los, hoch!« Ich machte den Anfang und lief dort die Böschung hinauf, wo sie durch eine Treppe unterbrochen war. Allmählich bekam ich wieder Hoffnung…
***
Mit seinen schwieligen Fingern fächerte der etwas grobschlächtig wirkende Bootsverleiher die Franken-Scheine auseinander. Zweihundert hatte er uns abgenommen.
Er sagte selbst, daß es nicht billig war, aber das Boot war es auch wert. Ein schneller Flitzer, rot-weiß gestrichen, sehr flach und neu aussehend. Wir ließen uns von Pierre, so hieß der Mann, die Funktion des Bootes erklären.
»Sie hätten es ja nicht bekommen«, sagte er, als er wieder auf den Steg kletterte, »wenn Claudia nicht gebürgt hätte.«
Er lächelte sie an, was seinem breiten Gesicht einen sympathischen Ausdruck gab. Dann fragte er sie: »Kannst du den beiden auch vertrauen?«
»Sie sind Freunde der Familie.«
»Das ist gut. Außerdem weiß ich, daß ihr unterwegs seid.« Er zündete endlich den Glimmstengel an, der in seinem linken Mundwinkel hing.
»Wo soll die Fahrt denn hingehen?«
»Wir wollten uns den See anschauen«, sagte ich.
»Und die Inseln!« fügte Claudia hinzu.
»Warum?«
Ich suchte nicht nach einer Notlüge, sondern wich mit meiner Frage vom Thema ab. »Gibt es in Ufernähe eine Insel, die groß genug ist, um Menschen darauf wohnen zu lassen?«
»Klar, so eine existiert.«
»Und wo, bitte?«
»Nun ja, Sie brauchen nur in Richtung Süden zu fahren. Aber immer den Kurs halten, dann erreichen Sie die Insel von allein.«
»Wer lebt denn dort?«
»Komische Typen.«
»Wie komisch?«
»Nur Männer. Sie sehen irgendwie aus, als gehörten sie zu einer Sekte. Ich habe sie ein paarmal gesehen, auch als ich mit dem Boot draußen war. Aber wir sind ein freies Land, wo jeder tun und machen kann, was er will. Die Religionsfreiheit hat bei uns Tradition, wenn ich mal von Zwingli und Calvin ausgehe…«
»Calvinisten sind es aber nicht«, sagte ich mehr fragend.
»Nein, nein, die wollen wohl auch nicht, daß sie jemand besucht. Verstehen Sie? Ich würde an Ihrer Stelle vorbeifahren. Oder gehören Sie auch dazu?«
»Nicht direkt«, wich ich aus.
»Pierre, kommst du?« Eine Frauenstimme rief den Verleiher. »Das Essen ist fertig.«
»Ja, ich bin gleich da.«
Zum Glück ließ er uns sofort allein. Den Schlüssel hatten wir bereits. Winkend lief er davon.
»Das war knapp«, meinte Suko grinsend. »Der hätte uns noch Löcher in den Bauch gefragt.«
»Nicht zu Unrecht, wie ich meine. Ich hätte an seiner Stelle auch nicht anders reagiert.« Mit der rechten Hand klopfte ich auf Claudias Schulter.
»Gut, daß wir dich haben.« Wegen des Bootsverleihers hatten wir verabredet, uns zu duzen.
»Sonst wäre es schwer geworden.«
»Dann kannst du nach Hause fahren oder gehen. Was jetzt kommt, ist nichts für dich.«
Sie hob die Schultern und überlegte. »Aber was ist mit Fatima?«
»Die finden wir auch allein und bringen sie sicher zurück.«
Claudia Demmi atmete tief durch. »Ich hoffe es!« flüsterte sie zum Abschied und schaute zu, wie wir in das Boot stiegen. Ich löste die Leine, als Suko den Motor anließ.
Schon seinem Sound war anzuhören, daß Kraft in ihm steckte. Mit weiß schäumender Bugwelle verließen wir die Nähe des Stegs. Ich schaute mich noch einmal um. Von Claudia Demmi war nichts mehr zu sehen. Der Mantel der Finsternis hielt ihre Gestalt verborgen. Unser Kurs zeigte nach Süden.
Nicht der Sonne entgegen, eher dem Grauen…
***
Die Musik war geblieben.
Fatima empfand sie nicht mehr als unangenehm, sie hatte sich daran gewöhnt, wie an einen Begleiter. Zudem sorgte sie durch ihre eintönige Melodie dafür, daß die Konzentration bei Fatima nachließ und auch ihr Wille unterdrückt wurde.
Nur die Melodie interessierte sie und die immer wieder aufhallenden Paukenschläge.
Die vier roten Kuttenträger hatten sie in die Mitte genommen. Zwei gingen vor ihr, die beiden anderen hinter ihr.
Wo das Ziel lag, wußte sie nicht, noch bewegten sie sich durch einen kahlen Gang.
Er hatte nichts Unheimliches an sich, das den Kuttenträgern entgegengekommen wäre. Graue Wände, die einen Teil des Lichts aufsaugten und dem Rest eine so schmutzige Farbe gaben. Auf dem Boden lag kein Staub. Alles wirkte schon klinisch rein. Fatima konnte wegen ihrer
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