Die pure Versuchung
für mich, heute mit Ihnen zu sprechen.“
Gütiger Himmel, wusste sie etwa schon, dass Shannon die letzte Nacht bei ihm auf der Ranch verbracht hatte? Wenn ja, musste sie ihre Spione überall haben!
Er schob einen der Besuchersessel näher an den Schreibtisch und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. Dann ging er zu seinem Sessel und setzte sich ebenfalls.
„Ehrlich gesagt bin ich froh, dass Sie sich zu diesem Besuch entschlossen haben“, versicherte er ihr freundlich. „Ich wollte Sie unbedingt kennenlernen. Es tat mir leid, gestern zu hören, dass es Ihnen nicht gut genug ging, um bei uns zu sein.“
„Das ist der Grund meines heutigen Besuches. Ich leide an meinem schlechten Gewissen“, eröffnete sie ihm. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und saß ruhig und würdevoll da, wie er es schon oft bei Shannon beobachtet hatte.
„Sie sind ganz anders, als ich Sie mir vorgestellt habe.“
„Hat Shannon Ihnen nicht erzählt, dass ich Japanerin bin?“
„Ich muss zugeben, dass wir uns noch nicht viel über unsere Familien unterhalten haben. Dafür werden wir wohl noch den Rest unseres Lebens Zeit haben.“
„Meine Tochter ist wütend auf mich, müssen Sie wissen. Sie meint, ich mische mich zu sehr in ihr Leben ein und bereite ihr dadurch Probleme.“
„Sie wollten sie nur beschützen. Das kann ich verstehen.“
Sie nickte mit ernster Miene. „Ja, ich will, dass sie beschützt ist. Aber ich will auch, dass sie geliebt wird. Meine Tochter erinnerte mich daran, wie sehr ich durch die Heirat mit Sherman Stevens gegen meine Familie und ihre Erziehung rebellierte. Ich ignorierte alles, was man mir beigebracht hatte. Stattdessen folgte ich dem Ruf meines Herzens.“
„Wie haben Sie sich kennengelernt?“
„Es war wenige Monate vor der Bombardierung von Pearl Harbor. Er war in der Navy und auf Hawaii stationiert. Ich besuchte Verwandte dort. Wir begegneten uns und verliebten uns. Es ging alles sehr schnell. Eigentlich sollte ich nach Hause zurückkehren. Doch ich brannte durch und blieb bei ihm. Nach der Bombardierung war es sehr schwer für uns. Plötzlich war ich der Feind.“
„Es muss für Sie sehr schwer zu akzeptieren gewesen sein, dass Ihr Land gegen das Ihres Mannes kämpfte.“
„Ja. Seine vorgesetzten Offiziere begegneten ihm mit Misstrauen. Die anderen Frauen ließen mich natürlich links liegen. Aber wir überstanden diese Zeit.“
Donna klopfte an und brachte das Tablett mit dem Tee. Dan fragte sich, wo sie die Teekanne gefunden hatte, sagte jedoch nichts.
„Danke“, sagte er, nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf den Schreibtisch. Kamiko betrachtete lächelnd die Teeutensilien und schenkte ihnen Tee ein.
„Im Lauf der vergangenen zwei Wochen musste ich mir eingestehen, dass ich meine geliebte Enkelin zu einer Beziehung gezwungen habe, für die sie sich nicht freiwillig entschieden hat“, fuhr sie fort.
„Ich glaube nicht, dass Sie sie wirklich gezwungen haben“, entgegnete Dan beschwichtigend, aber auch leicht alarmiert.
„Mir ist durchaus klar, dass die jungen Leute heute eine andere Einstellung zu Liebe und Ehe haben als ich früher. Ich habe Shannon meine Werte aufgedrängt. Wenn sie mit mir gestritten hätte, wäre ich tief verletzt gewesen. Daher verzichtete sie darauf, nachdem sie mir berichtet hatte, was geschehen war.“
Dan beugte sich vor. „Sie ist doch nicht etwa unglücklich wegen morgen, oder?“
„Ich bin diejenige, die unglücklich ist.“
„Ich verstehe. Und was soll ich jetzt machen?“
„Wenn Shannon heiraten will, dann soll sie sich den Ehemann selbst aussuchen, so wie ich meinen Mann selbst ausgesucht habe. Ich habe ihr meinen Willen aufgedrängt, so wie es meine Familie bei mir versucht hat. Aber ich widersetzte mich ihnen und folgte der Stimme meines Herzens. Ich möchte, dass meine Enkelin dasselbe tut.“
„Dann hatten Sie nie die Absicht, sie dazu zu bringen, mich zu heiraten?“
Sie sah ihn mit unbewegter Miene an. „Shannon hat mich überzeugt, dass sie nie mit Ihnen intim war. Und ich glaube ihr.“
„Das ist richtig.“
„Hätte die Möglichkeit bestanden, dass meine Enkelin schwanger ist, wäre ich jetzt nicht hier.“
„Ich verstehe.“
„Wirklich?“
„Sie sind gekommen, um mir mitzuteilen, dass die Hochzeit abgesagt ist.“
Sie nickte wieder. „Ich kann das nicht guten Gewissens zulassen. Meine Tochter hatte recht. Ich wollte gestern zu Ihrem Thanksgiving-Fest kommen und Ihnen beiden sagen, dass ich mich geirrt
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