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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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möglichst weit weg.«
    »Ich auch - aber bevor wir mitten auf der Autobahn liegenbleiben, suchen wir uns ein vernünftiges Versteck, denken nach und bereiten die nächsten Schritte vor.«
    Ferrands Blick streifte die Tankanzeige.
    »Wo willst du hier ein Versteck finden?«
    Sie hatten die letzten Häuser hinter sich gelassen. Die weiten, abgeernteten Äcker und Wiesen beiderseits der Landstraße boten keinen Schutz. Nebelfetzen hingen in kleinen Wolken dicht über der Krume, ließen Duvall die Feuchte des trüben Morgens geradezu spüren.
    »Irgendein Versteck. Eine Hütte, ein Schuppen. Irgendetwas, wo wir nicht gleich gesehen werden. Nur weg von der Straße. Da vorne kommt ein Wäldchen.«
    Ohne ein Wort zu sagen, bog Ferrand an dem Hain von der Landstraße in einen Feldweg ab. Der Wagen holperte über Wurzeln und durch Schlaglöcher, dann wendete Ferrand, denn das Waldstück war so klein, dass sie an dessen Ende noch den Damm der Straße sehen konnten.
    Ein Stück weiter fanden sie ein größeres Waldstück. Der Feldweg führte am Waldsaum entlang und endete nach ein paar hundert Metern an einem hüfthoch aufgeschütteten Erdwall, der mit Büschen bewachsen war. Hinter dem Erdwall verliefen Oberleitungen an Stahlmasten. Wenige Meter vor dem Erdwall stand an der linken Seite ein verfallenes Gebäude, halb versteckt unter Bäumen.
    Das wäre doch was, dachte Duvall.
    Er stieg aus und kletterte auf den Erdwall, hinter dem tatsächlich eine Bahnstrecke verlief. Die Oberfläche der Schienen glänzte silbrig grau. Kein Rost.
    Sie hatten ein altes, verfallendes Bahnwärterhaus gefunden, wie es Tausende in ganz Deutschland gab. Ein unbeachtetes Relikt eines ausgestorbenen Berufsstandes, der mit den Anfängen der Eisenbahn entstanden und schon hundertfünfzig Jahre später still beerdigt worden war.
    Im Innern des Hauses war der Putz in riesigen Flatschen von den Wänden gefallen. Die rötlichen Backsteine darunter waren von der gleichen Art wie unter den weggerissenen Dielen. Die Decke zum Dachstuhl wies mehrere große Löcher auf. Duvall konnte hinauf bis in das zugige Dachgebälk blicken. Dort, wo die Dachschindeln fehlten, sah er den klaren blauen Himmel.
    »Eine Bruchbude. Hier kommt keiner hin. Wir bleiben, bis wir wissen, was wir tun.«
     
    Duvall lugte durch den Türspalt.
    Die Geiseln lagen auf dem staubigen Backsteinboden. Beide waren an den Heizkörper unter dem Fenster gefesselt, dessen wulstige Rundungen verrieten, dass er Jahrzehnte auf dem Buckel hatte.
    Kemper schnarchte leise. Die Frau veränderte im Schlaf immer wieder ihre Position, bog ihren Rücken zu einem Hohlkreuz durch, um die Wirbelsäule zu entlasten. Duvall hatte sie härter gefesselt, weil sie ihm im Wagen patzige Antworten gegeben hatte.
    Sein prüfender Blick fiel auf das Fenster. Die Farbe des Rahmens war abgeblättert, und das Holz wirkte stumpf und grau. Die Scheiben in den beiden Flügeln waren überraschenderweise intakt, wenn auch dreckverschmiert und mit Sprüngen übersät.
    Würden sie aufstehen, das Glas zerschlagen und sich mit einer Scherbe die Fesseln durchscheuern können? Nein, dachte er, die Fesselung war kurz genug.
    Er zog den Kopf zurück und trat ins Freie.
    Am Feldweg endete der Baumgürtel, in dessen Schutz das verfallende Gebäude lag. Auf der anderen Seite des Weges begann das offene Feld. Fast fünf Kilometer bis zum nächsten Waldsaum, schätzte er.
    Das Gras war beinahe hüfthoch, und die Halme wiegten sich in den heranfegenden Windböen. Es schien, als triebe der Wind Meereswellen vor sich her.
    Ein leises Rauschen durchdrang die Luft, und Wolken fallender Blätter tanzten in den Böen. Manche Bäume waren schon nackt wie ein Skelett, bei anderen würde die erste Frostnacht die letzten Blätter lösen.
    Duvall umrundete das Gebäude. Der Wagen stand geschützt hinter dem Haus, halb hinter Büschen versteckt. Vom Feldweg aus war er nicht zu sehen. Duvall öffnete die Heckklappe und kramte in den Rucksäcken herum. In Victors Rucksack fand er, was er suchte. Victor hatte sich eine Flasche Wodka zum Feiern eingepackt. Jetzt war es seine.
     
    »Was machen wir?«, fragte Ferrand, der auf dem Fahrersitz saß und ruhig an einer Zigarette zog.
    Duvall öffnete die Flasche und trank einen langen Schluck. Dann hielt er seinem Freund den Wodka hin.
    Ferrand schüttelte den Kopf. »Du säufst zu viel.«
    Die Bemerkung erzürnte Duvall.
    »Seit wann bist du mein Vormund?«
    Schon auf dem Boot war Ferrand ihm in den Rücken

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