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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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als sie jetzt auf die Schatulle hinter der Glasscheibe starrten und die Anzeigewerte der Rechner im Auge behielten, erkannten sie voller Entsetzen, dass genau das geschah, auf das sie sich nicht vorbereitet hatten.

54.
    S usan saß in einem Korbsessel auf einem Balkon im dritten Stock von Julians Villa und blickte hinaus aufs Meer. Sie trug immer noch die Jeans und das Sweatshirt, die sie bereits getragen hatte, als sie aus dem Hotel entführt worden war. Ihr ungekämmtes Haar wehte im Sommerwind, und sie nippte an einer Flasche Mineralwasser. Sie beobachtete, wie ein weißer Hubschrauber von der großen Jacht abhob, die genau unter dem Horizont vor Anker lag. Der Helikopter wirkte so winzig wie ein Insekt, als er auf die Küste zujagte, wurde aber rasch größer und lauter und flog geradewegs auf Susan zu. Sie konnte sehen, wie der blonde Pilot die Steuerung bediente. Endlich zog er hoch, drehte ab und landete neben dem Haus. Susan hörte, wie der Motor leiser wurde und bald ganz verstummte.
    Dann war da plötzlich Tumult. Menschen rannten umher. Zivera riss die Tür auf, stürmte tobend durch das Zimmer und nach draußen auf den Balkon. »Wo ist die echte Schatulle?« Ziveras Stimme bebte vor Wut.
    Susan sagte nichts. Sie blickte weiter aufs Meer hinaus, als wäre sie im Urlaub.
    »Mögen Sie das Meer?«, fragte Zivera.
    Wieder nippte Susan am Mineralwasser, als wäre er überhaupt nicht da.
    »Ich hoffe, Sie mögen es. Denn wenn Sie nicht langsam damit anfangen, meine Fragen zu beantworten, werde ich Ihnen persönlich Gewichte an die Füße hängen, damit Sie das Meer fortan aus einer gänzlich neuen Perspektive betrachten können.«
    »Das ist sehr …«, Susan wählte ihre Worte mit Bedacht, »das ist ausgesprochen christlich von Ihnen.«
    »Wagen Sie es nicht, mit mir über Gott zu sprechen!«
    »Wieso nicht? Weil Sie der große Experte auf diesem Gebiet sind? Sie haben sich Ihre eigene Welt gebaut, in der Sie wie ein König sitzen und Milliarden scheffeln, indem sie einer ahnungslosen Herde Predigten halten mit dem Ziel, die Leute auszunehmen und ihnen Ihre ganz persönliche Ansicht von Gott zu verkaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gottes Botschaft oder sein Plan für die Menschheit war.« Susan sprach in einem festen, zuversichtlichen Ton. Ihre Worte und ihre Haltung spiegelten Trotz und Mut, doch tief drinnen hatte sie Todesangst. Sie hatte schon früh in ihrer Karriere eines gelernt: Wollte man jemanden überzeugen, musste man es mit vollster Überzeugung tun, auch wenn man selbst vom Gegenteil überzeugt war.
    Zivera trat an die Balustrade und versuchte, zumindest einen Teil seiner Fassung zurückzugewinnen. »Wo ist die echte Schatulle?«, fragte er. »Michael muss sie mir bringen.«
    Susan drehte sich in ihrem Korbsessel und blickte dabei weiter nach draußen aufs Meer. »Wenn er sie mir schon nicht anvertrauen wollte …« Sie sprach bewusst nicht weiter.
    Susan war schrecklich wütend auf Michael gewesen, als sie die Schatulle geöffnet hatte und der Köder leer war. Sie schrie vor Wut auf, weil er sie belogen und ihr nicht getraut hatte. Doch als sie länger darüber nachdachte, wusste sie auf einmal nicht mehr, ob sie wütend auf ihn war, oder vielleicht noch wütender auf sich selbst. Sie hatte das eine getan, von dem Michael sie gebeten hatte, es nicht zu tun. Sie war der Versuchung erlegen. Dabei war sie doch immer so pragmatisch, so klug! Und doch hatte die Schatulle sie irgendwie verführt, sodass sie sich von der Neugier hatte hinreißen lassen, der sie am Ende unweigerlich erlegen war. Dabei war sie immer stolz darauf gewesen, stark zu sein und sich beherrschen zu können. Sie war nie dem Reiz verfallen, Drogen zu nehmen oder dem Gruppenzwang in der Jugend erlegen, doch als sie mit der Schatulle allein gewesen war, hatte sie auf der ganzen Linie versagt.
    Und rückblickend ärgerte es sie am meisten, dass Michael gewusst hatte, dass sie versagen würde. Er hatte sie irgendwie davon überzeugt, dass die Schatulle – die sich nun in Ziveras Besitz befand – die echte war. Jetzt war Susan vor allem dankbar dafür, dass dem nicht so war. Sie hasste sich dafür, kläglich versagt zu haben.
    »Nikolai ist so dumm und unfähig, dass ich ihn töten sollte«, sagte Zivera. »Aber er hat mir wenigstens Sie beschafft. Und ich könnte mir vorstellen, dass Sie ein weit besseres Lockmittel für Michael St. Pierre sind, als sein Vater es war.«
    Susan blickte flüchtig auf. Ziveras Worte

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