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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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zwischen sich und Sandra, um nicht in ihr den Wunsch zur Flucht zu
erwecken. Er lehnte sich an einen Pfeiler gegenüber von ihr und nun da sie
wagte, ihn genauer anzusehen, bemerkte sie, dass auch er erschöpft wirkte.
Sein Tonfall wurde flehender. Fast hätte Sandra Mitleid mit ihm haben
können, mit ihm, in den sie vor kurzem erst geglaubt hatte, sich verliebt
zu haben.
    „Sandra, hör mir nur zu, bitte renn nicht wieder weg.
Was uns passiert ist, ist uns beiden passiert. Ich habe doch damit nichts zu
tun!“
    Sandra rührte sich nicht. Sie hatte seine Stimme
gehört, sogar einen Teil seiner Worte verstanden, doch wie hätte sie
ihm glauben können? Weshalb verschwand er nicht einfach? Er hatte ohnehin
verloren! Der Polizist war in der Zwischenzeit schon in der Mitte des
Bahnsteigs angekommen, noch immer von Daniel unbemerkt, der wieder versuchte, sich
ihr zu nähern.
    Erneut fühlte sie, wie Kälte aus ihrer
Magengrube heraus durch ihren ganzen Körper strahle, als reiche Daniels
Anwesenheit, um dem Bösen Kraft zu schenken. Fast schüchtern wirkte
er jedoch, als er vor ihr in die Hocke ging. Als er sprach, klang seine Stimme
liebevoll. Er hatte eine so schöne Stimme, ein so sanftes Gesicht. Wie
konnte er sich so gut verstellen? Sandra fröstelte, seine Nähe verusachte
Schmerzen in ihrem Körper.
    „Sandra, ich weiß, dass wir uns erst seit kurzem
kennen, aber zwischen uns war doch etwas ganz Besonderes. Du hast es doch auch
gespürt, oder? Sandra, ich weiss nicht, was hier geschieht, aber wir
lösen das Problem gemeinsam!“
    Natürlich versuchte sie seine Worte zu verstehen,
doch es war eher der Klang seiner Stimme, der sie dazu brachte, sich an seine
Küsse zu erinnern, an die Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit mit der er
sie geliebt hatte. Sie war bis dahin noch nie dermaßen intensiv
berührt worden. Gleichzeitig da diese so wundervolle Erinnerungen in sie
hochkamen, spürte sie jedoch die Kälte in ihr wachsen. Ihr
Körper war wie verkrampft, in ihr fühlte es sich an, als würde
ein gewaltiger Sturm losbrechen. Er hatte gesagt, sie könne es
beherrschen, doch was und wie sollte sie das bewerkstelligen? Es war, als
würden bereits zu viele Fronten in ihr gegeneinander kämpfen.
    Als Daniel ihre Hände in die seine nahm, spürte
sie für einen Augenblick die Wärme, die sie beide verbunden hatte.
Sie erkannte kurz den Mann, den sie hätte lieben können, doch dann
verschleierte sich ihr Blick, als würden sich Gewitterwolken vor ihre Augen
schieben, und ihr Körper wurde von einer derartigen Kälte erfasst,
dass sie das Gefühl hatte, von innen heraus zu erfrieren. Es war
unerträglich! Tränen lösten sich aus ihren Augen, sie zitterte
am ganzen Körper und ihre Hände, die noch immer in den seinen lagen,
waren taub vor Kälte. Daniel versuchte vorsichtig eine Hand um ihren Hals
zu legen, um sie an sich zu ziehen, doch das war mehr als sie ertragen konnte.
Panik erfasste sie. Sie hörte ihren eigenen Schrei, sie sah den Polizisten
rennen…
    Das war das letzte, woran sie sich erinnern konnte.
    *
    Sandra erzählte und Lisa hörte zu, während
sie im Geist ihrer Mutter jedes Detail der Geschichte erspähte. Es machte
sie glücklich mehr über die Vergangenheit ihrer Mutter zu erfahren,
trotz der grausamen Erinnerungen, die sie miterlebte. Sie hatte zum ersten Mal
in ihrem Leben durch die Augen ihrer Mutter das Gesicht ihres Vaters gesehen!
Er hatte traurig gewirkt, gütig… Doch woher rührten die albtraumhafte
Bilder, die sich in den Erinnerungen ihrer Mutter festgesetzt hatten? Was bedeutete
es, dass sie das Gesicht des Mannes, in das sie sich verliebt hatte, als eine
verzerrte, grausame Fratze vor sich gesehen hatte?
    „Ich war Monatelang in der Klinik…“, erzählte Sandra
weiter, „Ich kann mich kaum an etwas erinnern. Deine Oma hatte mich einliefern
lassen. Was blieb ihr auch anderes übrig? Ich war nicht mehr ansprechbar.
Ich kann mich nur an Albträume erinnern… Ich habe immer
geisterähnliche Gestalten gesehen. Es heißt, dass das passieren
kann. Das ist ein Schockzustand. Dr. Sellart hat mir erklärt, dass unser
Gehirn uns oft Streiche spielt und Geister vortäuscht, wenn die Wahrheit
zu grausam ist…“
    Lisa kannte Dr. Sellart. Sie war mit ihrer Mutter
jahrelang bei ihm in Behandlung gewesen, bis sie sich geweigert hatte, sich
länger seine dummen Theorien anzuhören. Ihre Mutter ertrug ihre
Nähe nicht, das war ein nicht zu leugnender Fakt gewesen. Die
Gesprächstherapien hatten jedoch

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