Die Quelle
ausgesucht
hatte, um sich zu setzen, war so weit entfernt wie möglich von den offenen
Fenstern, die einen direkten Ausblick auf das Meer boten. Sie konnte das Salz
in der Luft riechen und sie fröstelte bei dem Gedanken, dass sie den
Meeresungeheuern so nah war. Das unerlässliche Rauschen des Meeres trug
noch zu ihrer Anspannung bei... Bald würde Anthalion auf dem leeren, reich
verzierten Thron am Ende des Tisches sitzen und sie fragte sich, welchen der
vielen Stühle sie hätte wählen sollen, um auf ihren Herrscher zu
warten. Rechts vom Thron wäre anmaßend und links davon zu nahe der
Fenster… Zu weit von ihm, hätte Angst oder gar Abneigung bedeutet… Je
länger sie wartete, desto wirrer wurden ihre von Unsicherheit geplagten
Gedanken. Sie fühlte, wie ihre Hände feucht wurden und als
plötzlich die Tür aufging, stand sie auf, nur um sich sofort wieder
demütig vor ihrem Herrscher zu Boden zu werfen.
Sie konnte Anthalion nicht sehen, sie konnte nur den
zärtlichen Klang seiner Stimme hören und sie wünschte sich
nichts mehr, als genau jetzt hier zu sein.
„Loodera, steh auf… Ich möchte dich ansehen...“
Er bückte sich, um ihr eine Hand zu reichen und half
ihr aufzustehen. Loodera wagte es kaum zu atmen, so vollkommen war ihr
Glück. Als sie vor ihm stand und es wagte, ihn anzusehen, leuchteten seine
Augen. Er hielt noch immer ihre Hand in der seinen und als er sie
schließlich losließ, senkte er den Blick, als umhülle eine
dunkle Wolke seine Gedanken. Er zog einen der Stühle zurück.
„Würdest du dich zu mir setzen?“
Loodera befolgte seinen Wunsch, erstaunt, nicht den Hauch
eines Befehlstons erkannt zu haben. Der Herrscher rückte sich selbst einen
Stuhl zurecht, um unmittelbar neben ihr zu sitzen, den Thron ignorierend.
„Loodera, die Worte, die ich nun aussprechen muss, sind
sicherlich nicht die, die ich mir gewünscht hätte, dir zu sagen.
Leider kann ich in diesem Augenblick nicht vergessen wer ich bin und welche
Aufgaben auf mich warten. Ich kann es mir nicht erlauben, meine Wünsche
vor dem Wohlergehen der Menschen Vorrang zu gewähren. In wenigen
Augenblicken wirst du mich möglicherweise verabscheuen und da ich es nicht
verhindern kann, weiß ich nun, wie machtlos auch ein Gott sein kann.“
„Niemals, mein Herr, werde ich aufhören können,
dich zu verehren!“
Anthalion spürte, wie die Siegerstraße breiter
wurde, doch er wusste, er hatte noch nicht gewonnen. Wie gerne hätte er in
Looderas Gedanken ihre Gefühle erforscht, doch als Telepathin hätte
sie möglicherweise seine Anwesenheit in ihrem Geist wahrgenommen und er
wollte nicht offenkundig zeigen, wie neugierig er war, die Wirkung seiner Worte
zu kennen. Dies hätte vielleicht Zweifel über seine Ehrlichkeit in
ihr gesät.
„Ich wünschte dem wäre so… Doch wie fern von
mir scheint mir die Reinheit und die Schönheit deines Geistes zu sein, die
allein von der Schönheit deines Antlitzes übertroffen werden kann…“
Loodera fühlte wie die schmeichelnden Worte
Anthalions ihre Seele berührten und Verlangen in jeder Faser ihres
Körpers aufblühen ließen. Sie konnte kaum noch klar denken, doch
als sie versuchen wollte, zu antworten, unterbrach Anthalion sie mit einem
gequälten Lächeln. Er sprach weiterhin zu ihr, als sei sie ihm
ebenbürtig.
„Nein Loodera, ich bitte dich, lass mich erst weiter
sprechen, ehe du etwas sagst, was du bereuen könntest… Wie du weißt,
hat Leathan versucht meine menschliche Gestalt zu töten und ich
weiß, dass er es jederzeit wieder versuchen würde, wenn ich ihm die
Gelegenheit dazu gäbe. Ich habe dich benutzt, um Leathan dazu zu bringen, sich
zu ergeben… Wenn ich dich ansehe, weiß ich, weshalb er nicht zulassen
wollte, dass du für seine Taten büßt. Kein Wesen kann so
herzlos sein, dich für sich zu opfern, ohne dabei selbst Schaden
anzunehmen. Ich aber hätte es tun müssen. Ich war sogar bereit dazu,
dich der Folter auszusetzen… Wie du siehst, bin ich zu Grausamkeiten
fähig, die möglicherweise deine Vorstellungskraft
überschreiten.“
Loodera fröstelte, als sie durch Anthalions Worte an
die Kerker erinnert wurde und an die Ängste, die sie dort ausgestanden
hatte. Doch keinen Augenblick lang hatte sie es Anthalion vorgeworfen und das
wollte sie ihm sagen, doch erneut hinderte er sie daran und sprach weiter.
„Als Leathan sich ergeben hat, hat er mich erneut
bedroht, doch auch diesen Angriff, konnte ich abwehren...“
Loodera war entsetzt, über
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