Die Quelle
ihm nicht und seine Stimme klang zornig, wenn auch
ruhiger, als er sich fühlte.
„Visionen, Prophezeiungen, Vorahnungen sind eine
schöne Sache. Manche treffen zu, manche nicht. Richtig?“
Mehana erwog die richtige Antwort. „Nun, sagen wir, die
meisten treffen zu.“
Nun war Krial richtig zornig, Ethira musste sich ein
Lächeln verkneifen. Sie liebte seine Zornesausbrüche und die kleinen
Falten, die sich dann auf seiner Stirn abzeichneten.
„Ihr seid ein gelähmtes Volk! Ihr wagt es nicht zu
lieben, ihr wagt es nicht zu kämpfen! Wegen eines ‚Vielleicht’ oder eines
‚Wahrscheinlich’, unternehmt ihr lieber gar nichts! Leathan ist irgendwo
alleine in Anthalia und versucht inmitten einer feindlichen Stadt einen Gott
aufzuhalten, nur um euch zu retten. Was ist, wenn er es schafft? Wie sehen dann
deine Visionen aus? Wenn ihr so weiter macht, werden Anthalias Armeen euch auch
ohne Anthalions Hilfe überrennen!“
Mehanas Blick wurde trübe, als suche sie erneut in
Visionen nach Antworten. Rasch übernahm Ethira das Wort, ehe Krial etwas
Unüberlegtes sagen konnte. Sie wusste, dass er schon vor Zorn bebte, wenn
er seine Gedanken wie jetzt plötzlich vollständig vor ihr
verschlossen hielt.
„Mehana, unser Volk hat schon viele, aussichtslosere
Schlachten gewonnen. Wenn keine Vision dir weiter hilft, dann blicke nicht mehr
in die Zukunft, sondern bereite sie vor und gestalte sie selbst. Setzt die
Schritte, die Leathan von euch erwartet. Er hat auch Visionen und er hat uns
hergeschickt, um euch eine Information zu liefern. Glaubst du wirklich, dass er
uns darum gebeten hätte, wenn es sinnlos gewesen wäre?“
Mehanas Gedanken waren zum Teil offen und Ethira
zögerte nicht, in sie zu blicken. Die Regentin fühlte sich
überfordert, doch sie wusste auch, dass Ethira und Krial in allen Punkten
Recht hatten. Sie mussten handeln… Dennoch war ihr nicht wohl bei dem Gedanken,
dies blind zu tun.
Krial hatte Ethiras Einwand genutzt, um seine Gedanken zu
sortieren und er bereitete sich nun darauf vor, den Entschluss auszusprechen,
den er gemeinsam mit Ethira zuvor gefällt hatte.
„Mehana, du hast doch in unseren Gedanken gesehen, wie
unser Volk lebt und denkt, denn wir haben euch nichts verschwiegen. Ist es
nicht so?“
Mehana nickte und obwohl sie nicht darauf einging, konnte
auch Krial in ihren offenen Gedanken sehen, dass sie verstanden hatte, was er
meinte. Die Baseff betrachteten das Töten als eine Notwendigkeit, die
jenseits von Gut und Böse war. Sie konnten mit nur einem Trupp von
fünf Mann eine ganze Eskorte von Söldnern auslöschen, wenn sie
Zeit genug hatten, einen Hinterhalt zu planen und sie zögerten nicht das
zu tun. All das wusste Mehana, dennoch urteilte sie nicht. Krial fuhr fort.
„Ich mag euer Volk und eure Lebensweise, auch wenn ihr
vom wahren Leben kaum etwas versteht. Ethira und ich würden euch helfen,
falls ihr bereit seid, unsere Hilfe anzunehmen. Wir helfen euch, eine Strategie
zu entwickeln, aber unter einer Bedingung: Schluss mit den Visionen! Wir werden
nicht siegen weil du es so siehst, sondern wir werden siegen, weil wir es so
wollen.“
Mehana zuckte ein wenig zusammen. Krial hatte anscheinend
schon öfter in seinem Leben Krieger vor einem Kampf motiviert, aber diese
Art der Motivation bei ihr so auffällig anzuwenden, war fast amüsant.
Dann jedoch wurde ihr bewusst, dass auch bei ihr Krials Worte ihr Ziel erreicht
hatten. Kaum hatte er seine Hilfe angeboten, hatte sie schon Esseldan
telepathisch gerufen, damit sie gemeinsam mit den beiden Räubern einen
Plan entwickeln konnten. Diese menschliche Reaktion in ihr war ihr neu und sie
stellte fest, sie hatte es für einen Augenblick genossen, Krial als
Anführer zu sehen. Trotz des Rates an ihrer Seite fühlte sie sich oft
alleine. Am Ende oblag es immer ihr, die richtigen Entscheidungen zu treffen,
was in diesen Zeiten keine leichte Aufgabe war.
„Krial, ich bin für eure Unterstützung sehr dankbar
und akzeptiere deine Bedingung. Die Zukunft zeigt mir nichts Hilfreiches, also
magst du mit deiner Meinung Recht behalten. Esseldan wird gleich hier sein, um
sich mit euch zu beraten. Falls der Rat es akzeptiert, werden wir im Anschluss
euren Plänen folgen.“
Nun zögerte Mehana, doch Krial beantwortete ihre
Frage, ohne dass sie diese stellen musste.
„Nein, diesmal verlangen wir keinen Preis. Das machen wir
aus… Freundschaft.“
„Wir hätten schon vor vielen Jahren unsere Tore
öffnen sollen. Ich schätze
Weitere Kostenlose Bücher