Die Quelle
Schlacht sterbe, dann wird dennoch mein Leben bald ein
Ende finden. Ich bin schon zu alt für neue Wege.“
Galtiria sah ihn zärtlich an. Wie ihm jetzt erst
bewusst wurde, hatte sie es schon oft zuvor getan. Esseldan ignorierte Ihren
Blick, er wandte sich sogar von Galtiria ab und verschloss seine Gedanken. Zum
Glück kam Krial zurück und unterbrach die leicht angespannte Situation.
Auch Krial wirkte bedrückt und Galtiria ließ sie beide allein. Sie
ging in Richtung der Treppe, die von der Außenmauer herunterführte.
„Wir haben noch nichts entschieden.“, verkündete
Krial. „Wir würden uns gerne einen Monat Zeit lassen. Diesen Monat
würden wir gerne an dem See der Quelle verbringen, wenn es möglich
ist. Danach entscheiden wir, ob wir euren Vorschlag annehmen. Wäre das in
Ordnung?“
„Natürlich. Eure Entscheidung hat Zeit bis zu
Kriegsbeginn, dann solltet ihr schnell von hier verschwinden, um euch in
Sicherheit zu bringen.“, gab Esseldan gedankenverloren zurück.
Ja, dachte Krial. Vor dem Krieg wollte er auf jeden Fall
verschwunden sein! Er sah hinunter zu Galtiria, die wieder in den Kern der
Stadt zurückkehrte. Als sie um eine Straßenecke verschwand, wandte
sich Krial verständnislos Esseldan zu.
„Weshalb hast du ihr Angebot nicht angenommen? Sie ist
eine junge, schöne Frau.“
Esseldan zuckte zusammen. „Was habe ich?“
Krial lächelte spöttisch, verbarg dabei jedoch
seine Gedanken, um nicht unhöflich zu wirken. Das Volk der Wächter
war in vielerlei Hinsicht trotz seiner Macht und seiner Weisheit sehr
unbeholfen.
*
Einige Tage waren vergangen, seit Ethira und Krial
Leathans Botschaft an das Volk der Wächter überbracht hatten. Sie
erlebten an diesem Morgen einen neuerlichen wunderschönen Sonnenaufgang
über Ker-Deijas. Diesen Anblick hätten beide um nichts in der Welt
verpassen wollen. Sie waren dafür schon früh auf das Dach des
Refektoriums gegangen, von dem aus man den schönsten Ausblick
genießen konnte. Viele Bewohner von Ker-Deijas trafen sich morgens dort,
denn auch diejenigen, die hier geboren waren, konnten sich an ihrer eigenen
Stadt nicht satt sehen. Als das Spektakel vorüber war, blieben Ethira und
Krial fast alleine zurück. Das Volk der Wächter ging seinen Aufgaben
nach.
Ethira seufzte. „Warum tun sie nichts?“
Krial hatte ihre Gedankenwege nicht verfolgt und verstand
nicht gleich, was sie meinte. Ethira setzte noch einmal an.
„Sie tun nichts! Sie wissen seit einer Woche, dass der
Angriff vom Meer aus kommen wird, doch sie tun nichts. Der Rat hat nur zwei Mal
getagt und es wurde noch immer keine Strategie vorgeschlagen.“
Krial lächelte etwas bedrückt.
„Sie leben seit Jahrhunderten ohne Konflikte, ohne
Kriege. Ihre Krieger trainieren jeden Tag, doch es wirkt, als ob sie das eher
zum Spaß machen. Die Wächter sind ein mächtiges Volk, doch sie
wissen nicht, wie man ums Überleben kämpft.“
„Auf diese Weise werden sie trotz all ihrer Macht den
Krieg schon bei der ersten Schlacht verlieren.“, verkündete Ethira.
„Ich würde um sie trauern.“, gab Krial zu.
Ethira wurde nachdenklich und ließ einen Augenblick
der Stille zu, um ihre Gedanken zu vervollständigen. So nah waren sie
sich, dass sie ohne weiter darüber gesprochen zu haben, denselben
Entschluss fassten.
*
Nur wenig später trafen sie Mehana im Ratssaal, wo
sie sie vor kurzem erst kennen gelernt hatten. Ethira sprach als erste,
entgegen der Wertvorstellungen der Baseff. Das Volk der Wächter hatte
ihren Traditionen Respekt gezollt, auf diese Weise gaben sie ihn zurück.
„Mehana, wir machen uns Sorgen um dein Volk. Wir
können keinerlei Vorbereitungen zum bevorstehenden Krieg bemerken. Macht
ihr das heimlich oder wartet ihr tatenlos auf euren Untergang?“
Mehana seufzte tief, offensichtlich belastete sie das
Thema mehr als es gut für eine Regentin war.
„Ich wünschte, unser König wäre hier, um
uns zu leiten. Wir alle suchen nach einer Strategie, doch es fehlen uns zu
viele Informationen, um zu richtigen Ergebnissen zu kommen.“
„So präzise wie jetzt weiß man selten, was
passieren wird!“, bemerkte Krial stirnrunzelnd.
„Esseldan hat schon verschiedene Möglichkeiten
vorgeschlagen, doch jedes Mal, wenn ich mit Visionen versuche herauszufinden,
ob es die richtige ist, sehe ich die Zerstörung unserer Stadt und
schlimmer noch… Ich sehe, wie der See der Quelle verblasst…“
Krial blickte zur Decke, um seiner Ungeduld Einhalt zu
gebieten, doch es gelang
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