Die Quelle
Kind, das er als
Leathan kennen gelernt hatte. Vielleicht würden sie es schaffen, den
geplagten Geist zu heilen, den Anthalion gleich zu ihnen schicken würde…
Dort würden sie wieder vollzählig ihre Ewigkeit genießen und
die materielle Ebene von der Ferne aus betrachten, so wie sie es immer schon
getan hatten. So erleichtert war Anthalion, sein grausames Werk vollendet zu
haben, dass er nicht bemerkte, wie der geschwächte Körper Leathans
wieder an Kraft gewann und sich ein stilles Lächeln auf den geschundenen
Lippen abzeichnete. So erleichtert war Anthalion, die Rache der Götter
vollzogen zu haben, dass er nicht bemerkte, was um ihn geschah und sein
Untergang bedeuten konnte.
*
Galtiria senkte ihren Bogen. Ihr Köcher lag halb
leer zu ihren Füssen, doch nicht einer ihrer Pfeile hatte sein Ziel
erreicht. Sie waren allesamt an einem unsichtbaren Schutzschild abgeprallt, der
offensichtlich Anthalion und auch seine Begleiter schützte. Ihre Feinde
hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach dem Ursprung der Geschosse
zu suchen… Noch nie hatte sie sich so machtlos gefühlt, als in dem
Augenblick, da sie zusehen musste, wie das leuchtende Blau der Energie des Sees
sich langsam bündelte und allmählich verblasste… Ein
bedrückendes Gefühl der Leere erfasste sie… Sie suchte Halt in den
Gedanken der Krieger neben sich, doch sie spürte nur, wie deren Furcht nur
vermochte die ihre zu verstärkten. Was geschah hier? Was konnte sie tun?
Anthalion hob seine Klinge … Offensichtlich wollte er den abgemagerten, blassen
Mann köpfen, den Anthalions Priester versuchten aufrecht zu halten. Die
weibliche Begleiterin Anthalions ging vorsichtig einen Schritt zurück, sie
strahlte vor Freude… Galtirias Herz machte plötzlich einen Sprung.
Loodera! Die Frau war Loodera! Jetzt erst, beim zweiten Hinsehen erkannte sie
auch den sterbenden Mann. Leathan! Er war fast bis zur Unkenntlichkeit abgemagert!
Wut schaffte das, was ihr Pflichtgefühl ihr versagt
hatte.
Sie verbot es sich länger telepathischen Kontakt zu
ihren Kriegern zu halten und die Furcht wich aus ihrer Seele.
„Schießt eure Pfeile ab!“, befahl sie, während
sie ihren eigenen Bogen fallen ließ und aufsprang. Noch hatte sie Macht
in sich! Sie würde sich nicht geschlagen geben! Sie lenkte ihre Gedanken
und die Klänge der Quelle auf die Pfeile, die ihre Krieger abschossen.
Zielsicher war Galtirias Zorn. Sie umfasste gedanklich jeden einzelnen Pfeil,
begleitete und beeinflusste seine Flugbahn. Einer nach dem anderen trafen sie
an genau derselben Stelle des unsichtbaren Schutzwalls ein, entfalteten ihre
Macht an genau derselben Stelle, bis schließlich einer durchbrach…
Galtiria streckte ihre Hand aus, begeleitete das Todesgeschoss und ließ
es in Richtung Anthalions fliegen. Allein Loodera schien den Pfeil bemerkt zu
haben.
Sie sah zu Galtiria und ihre Blicke trafen sich. Loodera
kannte die Frau gut, die so oft an Mehanas Seite gewesen war, doch sie erlebte
zum ersten Mal zu wieviel Zorn die Kriegerin fähig war. Loodera sprang zur
Seite, doch nicht etwa um dem Pfeil zu entkommen, der ohnehin nicht ihr galt.
Sie sprang vor Anthalion. Sie wollte ihren Gott und Liebhaber schützen,
sie musste ihn schützen, denn wie hätte sie ohne ihn weiter
existieren können? Es geschah so schnell, dass sie keine Zeit hatte, den
Schmerz zu spüren. Kaum bohrte sich die Spitze des Pfeils in ihren
Körper, hörte sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Klänge der
Quelle, so rein, so alles umfassend, so berauschend… Sie hörte sie, weil
sie bereits tot war… Weil ihr Körper bereits zerfetzt neben ihr in einer
Blutlache lag… Sie versuche ein letztes Mal zu Anthalion zu sehen, doch sein
Gesicht war verschwommen… Sie waren nicht länger in derselben Welt… Sie
hatte ihn verloren.
Kein letztes Zucken, kein letztes Wort…
Loodera brach blutüberströmt zusammen, von der
Macht der Quelle zerrissen, die sie hatte von Anthalion zerstören lassen.
Galtiria bedauerte den Tod Looderas nicht –sie würde um eine
Verräterin nicht trauern– doch sie war wütend darüber, dass
Anthalion noch immer am Leben war. Der Schutzschild galt nur noch ihm, so
trafen die anderen Pfeile auf seine Gefolgsleute, doch nicht auf ihn. Schon
bald war er als einziger noch immer am Leben. Galtiria versuchte mehr Energie
in sich zu rufen, um das zu wiederholen, was sie vor kurzem vollbracht hatte,
doch es war zu spät… Ein Blick auf den See verriet ihr, dass der
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