Die Rache der Flußgoetter
glaube, er spürt die Schwäche meiner Familie und will sie sich zunutze machen.« »Schwäche?« wiederholte sie erstaunt. »Deine Familie ist die mächtigste Plebejerfamilie in der Geschichte Roms!«
»Rein zahlenmäßig schon. Im Senat und in den Volksversammlungen, und was Amtsträger und Klientschaft angeht, sind wir sehr mächtig. Doch die Führung wird schwächer. Celer und Pius sind tot, Nepos ist Pompeius' Mann, und Scipio ist adoptiert und scheint seinen alten Namen dem vor zu ziehen, den Pius ihm gegeben hat. Und ich fürchte, Vater baut ab.«
»Inwiefern?« fragte Julia.
»Heute abend war er gar nicht er selbst. Er hat innerfamiliären Streit zugelassen, während wir sonst vor Fremden immer Einheit demonstriert haben. Ich glaube, das Alter hat ihn schließlich doch eingeholt.« »Das geht jedem so, der lange genug lebt«, tröstete sie mich. »Es wird Zeit, daß du deinen Platz im Familienrat beanspruchst. Sag ihnen, daß das der Preis dafür ist, daß du ein weiteres Jahr als Ädile dienst.« Julia war eine unbedingt praktische Natur.
»Ich werde es mir überlegen«, versprach ich ihr. »Was hattest du übrigens mit Asklepiodes zu besprechen?«
Kalt erwischt stotterte sie: »Ich … ich …« Schließlich beruhigte sie sich und antwortete: »Ich habe nach einer speziellen Rezeptur gefragt, diemeine Großtante Aurelia mir empfohlen hat: frischer Honig und Fenchelsamen, gemischt mit der geriebenen Schale eines Euleneis.«
Das war es also. Ich hätte es wissen müssen. Wir waren noch nicht einmal zwei Jahre verheiratet, doch schon jetzt wurde Julia von einer alten Familienangst geplagt: die berühmte Unfruchtbarkeit der Julier. Männer und Frauen dieses Geschlechts hatten stets nur wenige Kinder gehabt, und von denen hatte vielleicht eines von dreien das fünfte Lebensjahr erreicht. Julia hatte bereits eine Fehlgeburt hinter sich und war sich nun sicher, daß der Familienfluch auch auf ihr lag. Sie war das einzige überlebende Kind ihres Vaters. Und auch Julius Caesar hatte damals aus seinen zahlreichen Ehen nur eine einzige Tochter.
»Julia, Asklepiodes ist spezialisiert auf Verletzungen von Männern, deren Beruf es ist, sich gegenseitig derartige Verletzungen zuzufügen. Die besonderen Umstände der weiblichen Fruchtbarkeit sind die Domäne von Hexen und Ammen, nicht die von Ärzten und Chirurgen.« »Das weiß ich«, sagte sie. »Daran solltest du erkennen, wie verzweifelt ich bin. Ich habe vor allem deshalb mit ihm gesprochen, weil er so ein reizender und ermutigender Mensch ist, was, wie du richtig angemerkt hast, auch nicht sein Beruf ist.
Er hat mir erklärt, die beste Medizin wäre die Zeit, aber er hat mir auch eine Frau aus Alexandria namens Demetria empfohlen -« Ich wollte gerade etwas einwenden, aber sie machte mir ein Zeichen zu schweigen.
»Nein, nein, nicht irgendeine weise Alte vom Lande. Er hat mir versichert, daß sie eine hochgebildete Ärztin und Philosophin ist, die am Museion studiert hat. In dieser Hinsicht sind die Alexandriner sehr viel liberaler als wir.
Ich habe vor, sie morgen auf zu suchen.«
»Nun«, sagte ich widerwillig, »wenn Asklepiodes sie empfohlen hat, muß sie akzeptabel sein. Such sie auf, wenn du willst, aber ich glaube, er hatte mit seinem ersten Rat recht. Wir müssen nur ein wenig mehr Geduld haben, du wirst schon sehen. Vergiß nicht, in was für eine Familie du eingeheiratet hast. Wir Caecilii sind so mächtig geworden, weil wir einfach mehr waren als alle anderen.«
Sie drehte sich zu mir und legte ihren Kopf auf meine Brust. »Also gut«, sagte sie schläfrig. »Ich verspreche dir, mir eine Zeitlang keine Sorgen mehr zu machen. Aber ich werde morgen trotz dem zu Demetria gehen.«
Wenn sie sonst noch etwas sagte, erinnere ich mich nicht mehr daran, denn im nächsten Augenblick war ich tief und fest eingeschlafen.
VII
Am nächsten Morgen kam ich nicht einmal bis zum Ceres-Tempel. »Ädile!« Ich erkannte den Rufer als einen Freigelassenen aus dem Stab des Publius Syrus, dem berühmten Schauspieler und Dramatiker. »Bitte, komm sofort zum Theater! Mein Patron sagt, es handelt sich um einen Notfall!« Der Mann machte einen ziemlich aufgeregten Eindruck, er war allerdings auch Grieche, sein Herr von griechischsyrischer Herkunft, und die Griechen sind ein leicht erregbares Volk. Sie haben die Philosophie nur erfunden, um sich selbst unter Kontrolle zu halten.
Ich hatte Syrus im vergangenen Jahr unter Vertrag genommen, um die Theateraufführungen
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