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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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waren. Will sagen, der Rücken, der Hintern, die Rückseite der Oberschenkel und so weiter waren dunkelblau angelaufen wie bei einer Prellung. Dieser Zustand post mortem ist ein verbreitetes Phänomen, das man Totenflecken nennt. Der Gelehrte Simonides von Antiochia hat zahlreiche Publikationen zu diesem Zustand verfaßt, mit dem es offenbar folgende Bewandtnis hat: Zu Lebzeiten wird das Blut einigermaßen gleichmäßig durch Körperorgane und gewebe verteilt. Dabei steht es unter einem gewissen Druck. Wir wissen alle, daß Blut aus einer kleinen Schnittwunde nur tropft, aus einer größeren Ader regelrecht fließt und bei Durchtrennung einer Arterie sogar etliche Meter weit spritzen kann. Der genaue Mechanismus, durch den dies geschieht, ist Gegenstand eines größeren philosophischen Disputs.« Ich war für eine medizinische Vorlesung vielleicht nicht mehr ganz so aufgeschlossen, wie ich das ausgeruhteren Verstandes gewesen wäre, doch ich gab mir redliche Mühe Asklepiodes' Ausführungen weiter zu folgen. »Wenn das Leben endet, hört auch dieser Druck und die Verteilung des Blutes im Körper auf, und das Blut lagert sich in dem am tiefsten gelegenen Körperteil ab. Bei einem liegenden Individuum wäre das wie im Fall des verstorbenen Paares die Rückenpartie. Lebendes Blut ist hellrot. Dochabgestorbenes Blut nimmt sehr rasch die Farbe von Rost an, später wird es dunkelbraun bis schwarz, was auch zu der Hautverfärbung bei Prellungen führt.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte ich. »Ich habe einmal einen Trupp Soldaten befehligt, der zwei Tage nach der Schlacht die römischen Toten vom Schlachtfeld einsammeln mußte. Wenn ein Mann auf der Seite liegend gestorben war, war diese Seite dunkel und die andere blaß. Einmal hab' ich die Leiche eines Mannes gesehen, der kopfüber in einen Brunnen gestürzt und ertrunken war. Sein Kopf und seine Schultern waren fast schwarz.«
    »Genau dieses Phänomen meine ich. Simonides hat recht detailliert über das Fortschreiten dieses Zustands geschrieben, natürlich unter Berücksichtigung der jeweiligen Jahreszeit, weil die körperliche Verwesung bei heißem Wetter ungleich schneller fortschreitet als bei Kälte. Die Art und Ausprägung der Totenflecken kann einem erfahrenen Beobachter mitteilen, wie lange der Tote schon tot in derselben Lage gelegen hat.«
    »Und was schließt du?« drängte ich auf die Essenz seiner Betrachtungen. Er hob mahnend den Finger. »Gedulde dich noch einen Moment und folge mir weiter. Die Leichenwäscher haben mir berichtet, daß die Hälse der beiden sauber gebrochen waren, die Durchtrennung eines Halswirbels ist typisch für eine ruckhafte Drehbewegung. Ein Schlag zertrümmert die Knochen, Tod durch Erhängen reißt sie auseinander. Um sich den Hals dergestalt zu verrenken, müßte man schon einen sehr abstrusen Unfall erleiden. Ich habe es einmal gesehen, als ein Wagenlenker kopfüber in die Speichen eines gegnerischen Wagens gestürzt ist. Da die Opfer ansonsten keinerlei Kopfverletzung aufwiesen, kann ich nur schließen, daß jemand sie an Kinn und Hinterkopf gepackt und den Schädel ruckartig und gewaltsam verdreht hat.«

    »Würde so etwas große Muskelkraft erfordern?« fragte ich.
    Genau diesen Gedankengang hatte mein Ringkampf mit Antonius ausgelöst. »Wenn die Opfer fest geschlafen haben, so daß all ihre Muskeln völlig entspannt waren, hätte es jeder einigermaßen kräftige Mensch bewerkstelligen können, vorausgesetzt, man hätte ihm die richtige Technik beigebracht. «
    »Es gibt eine spezielle Technik?« fragte ich fasziniert. »Wenn du erlaubst, werde ich es demonstrieren.« Er stand auf und dehnte die Finger.
    »Schön vorsichtig«, mahnte ich ihn. »Du hast schon ein wenig getrunken und vielleicht nicht mehr ganz die wünschenswerte Kontrolle über das, was du tust.« Asklepiodes liebte es, exotische und obskure Mordtech-niken zu demonstrieren. Dabei hatte er mir mehr als einmal kleinere Verletzungen zugefügt.
    »Ich werde mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen«, versicherte er mir. »Ein unerfahrener Täter, der einem Opfer den Hals brechen will, würde den Kopf so packen.« Er legte seine linke Hand auf meinen Hinterkopf, packte mit der rechten Hand meinen Unterkiefer. »Wenn man jetzt Druck ausübt -« Er begann zu drehen, und mein Unterkiefer rutschte zur Seite, bis er knackte.
    »Autsch«, rief ich, da ich jene stoische Haltung, die meine Zeitgenossen so bewundern, nie ganz verinnerlicht habe. »Siehst du? Auf diese

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