Die Rache der Flußgoetter
»Hast du den Übeltäter mit einer Säge zweiteilen oder von Mollossischen Hunden in Stücke reißen lassen oder was immer die Strafe war?«
»Es war eine Frau, die ihren Ehemann vergiftet hat, und die Geschworenen haben sie zum Exil verurteilt, bloß weil der Mann sie regelmäßig geschlagen hat.« Ich wußte nicht, ob seine angewiderte Miene dem milden Urteil oder meiner Lockerheit galt, die er wie so vieles andere ablehnte. Er war bar jeden Sinns für Humor.
»Nun, dann wünsch' ich dir beim nächsten Mal mehr Glück«, sagte ich aufmunternd. »Es könnte sein, daß ich schon bald deine Hilfe in einer Angelegenheit im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als Ädile erbitten muß, Marcus Porcius.«
Die Furchen auf seiner fortwährend gerunzelten Stirn vertieften sich.
»Du hast in der Vergangenheit nur recht selten um meine Hilfe nachgesucht «, sagte er. »Wenn ich es recht überlege, noch nie. Warum also jetzt?«
»Weil mir die Leute, auf die ich mich üblicherweise stütze, den Rücken gekehrt haben und weil ich denke, daß du mit dem, was ich tue, ausnahmsweise einmal einverstanden sein wirst.«
»Das wäre in der Tat ein Wunder«, erwiderte er mit seinem gewohnt subtilen Sarkasmus. »Ich höre.«
Also berichtete ich ihm von meiner Ermittlung und wohin sie mich geführt hatte. Er hörte meinem Vortrag mit unbeweglicher Miene zu, doch ich wußte, daß er jedes Wort in sich aufnehmen und noch in zehn Jahren wortwörtlich zitieren können würde. Er besitzt eine seltene, zielstrebige Konzentration. Als ich fertig war, nickte er knapp.
»Das ist überaus würdig«, lobte er mich. »Du verfügst über ein ehrliches und hingebungsvolles Pflichtgefühl, Decius Caecilius, trotz deiner beklagenswerten Frivolität. Vor allem das Übergewicht von Theateraufführungen bei deinen anstehenden Spielen mißbillige ich zutiefst. Solche fremdländischen Darbietungen machen die Menschen schwach und passiv. Was du brauchst, sind mehr Kämpfe, Tierjagden und Hinrichtungen. Das sind die Dinge, die die Bürger stärken und abhärten. Und Planen sind selbstredend ein vollkommen unnötiger Luxus.
Sollen sie doch die paar Stunden Sonne ertragen, es wird ihnen guttun. Und noch etwas -« Und so weiter und so weiter. Wenn man Catos Hilfewollte, mußte man sich diesen Kram eben anhören. Warte, dachte ich, bis er von meinen Sitzkissen erfährt.
Schließlich kam er wieder zum Thema.
»Ich denke, es ist schon viel zu lange her, daß jemand gegen dieses ganze Pack von gierigen, Geld scheffelnden Bauunternehmern vorgegangen ist. Seit Sulla hat es meiner Erinnerung nach nie mehr eine ernsthafte Kampagne gegen sie gegeben. Sulla hat ihnen noch Bußgelder aufgebrummt, sie aus der Stadt vertrieben und ein paar von ihnen hingerichtet, um ein Exempel zu statuieren. Und genau das brauchen wir jetzt auch wieder. «
»Ich bin absolut deiner Meinung«, sagte ich. »Aber dir ist doch bewußt, daß man sich dafür mit einigen der wichtigsten Senatoren und der reichsten equites anlegen muß?«
»Na und?« schnarrte er. »Jeder, der seinen persönlichen Reichtum über das Allgemeinwohl stellt, sollte ungeachtet seines Ranges oder seiner Macht vom Tarpejischen Felsen gestoßen, dann auf einen Haken gespießt, durch die Straßen bis hinunter zum Tiber geschleift und in den Fluß geworfen werden, vorzugsweise bei noch lebendigem Leibe. So sind wir früher mit Verrätern verfahren! Und es sind Verräter, Decius! Es ist schlimm genug, daß die wohlhabenden Freigelassenen so viel Macht gewonnen haben, aber jetzt haben sie auch noch Menschen edlerer Herkunft und Gesinnung korrumpiert. Seit den frühesten Tagen Roms war dem Adel der schmutzige Handel verboten. Mit Geld Geld zu machen, ist verabscheuungswürdig! Irgendein habgieriger Sophist hat den Ausweg ersonnen, daß Stein, Ton und Holz auch Produkte des Landes sind, weshalb die Eigentümer von Grundstücken sie als Produkte tugendhafter Landwirtschaft legal verkaufen dürfen.«
Das war typisch für Cato. Wie üblich machte er Ausländer und die unteren Schichten für die Korruption verantwortlich. Seine eigene Klasse hatte rein und unberührt über den Dingen geschwebt, bis sie von denen, die nicht im gleichen Maße in der Gunst der Götter standen, in Versuchung geführt worden war.
Meine Lesart unserer Sozialgeschichte unterschied sich ein wenig von Catos. Wenn man von gefälligen Mythen wie der Geschichte von Aeneas und seinem Sohn Julus absieht, geht sie ungefähr so:
Vor ungefähr 700 Jahren
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