Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
noch«, versuchte Simon ihm zuzureden, obwohl er wieder einmal seine Zweifel hatte, ob man ihnen die Gauklertruppe wirklich abkaufen würde. Sicher, die Männer sahen in ihren bunten, abgewetzten Kostümen, die sie schon einmal für die Probe auf der Waldlichtung angezogen hatten, recht echt aus. Während der Tage, die Simon mit ihnen unterwegs gewesen war, hatten sie sich alle als vertrauenswürdig erwiesen. Adelas Rettung schien ihnen wirklich am Herzen zu liegen, und bei den Proben waren sie, trotz ihrer Frotzeleien, immer eifrig bei der Sache. Aber wie ein Auftritt mit ihnen ablaufen würde, war noch einmal etwas ganz anderes.
Nun ließ auch noch Herbert, der eigentlich ein geschickter Jongleur war, einen seiner Bälle fallen. Simon unterdrückte ein Seufzen. Mervins Flötenspiel endete in einem schrillen Ton. »He, da kommt Paul!«, rief er, ehe die anderen ihn wieder verspotten konnten.
Tatsächlich kam in diesem Moment der bullige Waliser über die Lichtung geschritten. Hinter ihm trottete ein mit Stoffballen beladenes Maultier her, denn Simon hatte ihn als Händler getarnt zu William de Thorignys Gut geschickt. Als früherem Söldner traute Simon ihm die Geistesgegenwart zu, mit einer brenzligen Situation umzugehen. Außerdem kannte er sich als Webereibesitzer mit Stoffen aus.
»Nun, Paul, was habt Ihr herausgefunden?« – »Ach, wahrscheinlich hat er sich die meiste Zeit mit irgendwelchen Mägden vergnügt.« – »Erzählt schon!«, schwirrten die Stimmen durcheinander.
Simon packte den Waliser am Arm und dirigierte ihn in das Zelt, in dem die Kostümtruhen standen, und drückte ihn auf eine Kiste. Die anderen Männer folgten ihnen.
Simon blickte sie streng an. »Während Paul redet, halten alle anderen gefälligst den Mund!«, sagte er.
Paul fuhr sich über das bärtige Kinn. »Tja, die Bediensteten haben nur hinter vorgehaltener Hand darüber geredet«, sagte er, »aber Adela wird tatsächlich auf dem Gut gefangen gehalten. William de Thorigny foltert sie regelmäßig, und ihr geht es wohl sehr schlecht. Die Leute haben sich gewundert, dass sie überhaupt noch am Leben ist.«
O Gott , dachte Simon. Er hatte so etwas befürchtet, seit er erfahren hatte, dass William Adela in seine Gewalt gebracht hatte, und doch war er entsetzt, seine schlimmsten Ahnungen bestätigt zu bekommen. Aus den Mienen der Männer war aller Übermut verschwunden.
»Immerhin gibt es eine gute Nachricht.« Paul grinste schief. »De Thorigny hat vorgestern das Gut verlassen. Der König wünschte ihn ganz dringend zu sehen.«
Einige der Männer lachten, doch als Paul abwehrend die Hand hob, verstummten sie sofort. »Eine schlechte Nachricht gibt es leider ebenfalls«, sagte er. »Das Gut wird nämlich sehr gut bewacht. Es dürfte schwer werden, Adela unbemerkt hinauszuschmuggeln.«
»Wie viele Bewaffnete halten sich dort auf?«, fragte Simon.
Paul wiegte den Kopf. »Mindestens zwei Dutzend. Von den Knechten gar nicht zu sprechen. Das sind noch einmal um die zwanzig Männer.«
»Nein«, sagte Simon langsam, »auf einen Kampf können wir es auf gar keinen Fall ankommen lassen.«
»Tja, Mervin, strengt Euch an. Nicht dass unsere Tarnung Euretwegen noch auffliegt.« Anselm hieb dem unglücklichen Flötenspieler auf die Schulter.
Ein Gedanke schoss Simon durch den Kopf. »Hält sich eigentlich Williams Geliebte auf dem Gut auf?«
»O ja, das ist ein Weib.« Paul verdrehte die Augen und seufzte wohlig, während seine Hände große Kreise in die Luft malten. »Brüste so üppig wie reife Melonen, und eine Ausstrahlung, bei der selbst ein keuscher Pfaffe lüstern würde.«
»Danke, Paul für Eure poetische Beschreibung«, sagte Simon trocken. Dann lächelte er. »Ihr habt Eure Sache wirklich gut gemacht.«
Er besann sich kurz. »Ich schlage vor, dass wir noch heute Mittag zu dem Anwesen reiten. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Paul, Ihr bleibt währenddessen hier und versorgt die Pferde. Anselm und Herbert, Ihr könnt schon einmal die Maultiere satteln.« Da Pferde für eine Gauklertruppe unpassend gewesen wären, hatten sie zu ihrer Tarnung Maultiere mitgenommen.
Simon blickte den Männern nach, während sie zur Weide am Rand der Lichtung gingen, und fragte sich wieder, wie ihr Vorhaben wohl enden würde. »Und Ihr und ich«, seufzend wandte er sich an Mervin, »wir beide üben noch etwas bis zu unserem Aufbruch.«
*
Nun befanden sie sich also in William de Thorignys Anwesen. Auf dem Besitz des Mannes, der Francis
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