Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
oder Fürsten Hof halte. Haben wir uns verstanden?«
»Majestät, da Ihr mir keine Gelegenheit geben wollt, mich zu verteidigen, muss ich Euren Beschluss akzeptieren …« William verbeugte sich knapp.
Während er mit hoch erhobenem Kopf aus dem Gemach schritt, brannten Scham und Wut wie ein loderndes Feuer in ihm.
Kapitel 10
E igentlich müsste ich dankbar und zufrieden sein , dachte Ann, als sie in der Dämmerung des Aprilabends ein Wäldchen durchquerte. Sie kam von einem Bauernhof in der Nähe des Klosters. Eine junge Frau, die einige Tage lang an einem schweren Fieber gelitten hatte, befand sich endlich auf dem Weg der Besserung. Nach einem Kälteeinbruch hatte sich endlich der Frühling durchgesetzt, und im noch kahlen Unterholz wuchsen die ersten Blumen. Zartgrau hoben sie sich im Zwielicht vom dunklen Boden ab.
Aber sie fühlte sich traurig und hoffnungslos. Am Vortag hatte ihr Luce wieder einmal gesagt, dass er das Kloster bald verlassen wollte. Er hatte ja Recht, das wusste sie nur zu gut. Er war bald zwölf Jahre alt und musste seinen eigenen Weg finden, statt immer nur niedrige Hilfsdienste auszuführen. Er hatte mehr als ein Leben als Knecht verdient. Aber Luce war wie ein eigener Sohn für sie, und sie würde ihn schrecklich vermissen.
Ja, nicht nur das … Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass es ihrem Leben als Klosterfrau Sinn schenkte, sich um ihn zu kümmern und ihn zu beschützen.
Ann hatte das Wäldchen jetzt hinter sich gelassen. Im Tal inmitten von frisch gepflügten Feldern lag das Kloster. Zu ihrer Überraschung sah sie, dass der große Hof vor der Kirche und dem Wohngebäude der Äbtissin hell erleuchtet war. Die milde Abendluft trug Pferdewiehern und vereinzelte Stimmen zu ihr herauf. Anscheinend war ein hoher Besuch eingetroffen.
Sie war nicht in der Stimmung, ihren Mitschwestern zu begegnen. Deshalb wählte sie den Umweg am Fluss entlang und zur Mauer, in der sich die Pforte zu ihrem Kräutergarten befand. Die Beete, die Bäume und Sträucher dort waren mittlerweile nur noch schemenhaft zu erkennen. Aber Ann hätte sich in ihrem Reich auch bei völliger Dunkelheit zurechtgefunden.
Da ich ohnehin gerade dabei bin, mein Gewissen zu erforschen, gibt es noch eine andere Tatsache, der ich ins Auge blicken sollte , überlegte sie müde weiter. Wenn Luce das Kloster verlässt, gibt es für Simon keinen Grund mehr hierherzukommen . Seit ihrem Streit im vergangenen Sommer hatte er nicht ein einziges Mal versucht, die Grenze zu überschreiten, die sie ihm gesetzt hatte. Aber sie hatte ihn trotzdem noch gesehen und einige Worte mit ihm gewechselt. Sich vorzustellen, dass er auf immer aus ihrem Leben verschwinden würde …
Ach, es ist besser so!, sagte sie sich trotzig. Vielleicht werde ich ihn dann endlich vergessen können.
Ann bemerkte, dass sich ihr von der Hütte her jemand näherte. Im ersten Moment glaubte sie, sie würde es sich nur einbilden, einen großen, schlanken Mann zu sehen, den ein weites Gewand umspielte und der sich elegant bewegte. Doch dann begriff sie, dass es wirklich Simon war.
»Was tut Ihr denn hier?«, fuhr sie ihn ärgerlich an, wobei sie nur mit Mühe verhindern konnte, dass ihre Stimme zitterte. »Ich habe Euch doch gebeten, Euch von mir fernzuhalten.«
»Ich will nichts von Euch«, erwiderte er ungeduldig. »William de Thorigny ist vor Kurzem hier eingetroffen. Wisst Ihr, wo Luce sich aufhält? Ich habe überall nach ihm gesucht.«
O Gott, der hell erleuchtete Hof … Anns Gedanken wirbelten durcheinander . William ist der Besuch …
» Ann …« Simon packte sie hart am Arm. »Ich habe Euch gefragt, ob Ihr wisst, wo Luce ist.«
»Wahrscheinlich versteckt er sich irgendwo«, antwortete sie immer noch benommen.
»Das vermute ich auch. Aber nicht aus Angst vor de Thorigny, fürchte ich, sondern weil er ihm irgendwo auflauern will.«
»Wie kommt Ihr denn auf diese Idee?«
»Ann«, Simon schüttelte sie leicht, »Luce ist kein kleines Kind mehr. Er hat mir einmal gestanden, dass er de Thorigny töten will. Er hat ja auch jeden Grund, ihn zu hassen. Er ist genau in dem Alter, in dem man sich selbst völlig überschätzt und jede Menge Dummheiten begeht.«
»Manchmal hilft Luce in der Küche aus, wenn ein hoher Gast ins Kloster kommt …«, stammelte Ann.
»Dann gebe Gott, dass wir ihn dort noch rechtzeitig finden«, sagte Simon grimmig.
»Woher habt Ihr gewusst, dass William de Thorigny hierherkommen wird?«,
Weitere Kostenlose Bücher