Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
ich nicht mehr über den Krieg reden. Diese Tage sollen nur uns dreien gehören. Versprich mir das!«
»Ja, das tue ich!« Francis nickte. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch Luce, der über die Wiese auf sie zustürmte, hielt ihn davon ab.
*
Adela schob einen dünnen Zweig in die Glut. Das Feuer sollte dazu dienen, ihre Mahlzeit zu braten. Einen Steinwurf von ihr entfernt standen Francis und Luce am Ufer eines schmalen Flusses und angelten nach Lachsen. Das Wasser war nicht tief und zudem klar. Deshalb konnte sie die Fische als schwimmende Schatten unter der Oberfläche sehen. Sonnenstrahlen bildeten helle Kringel auf dem steinigen Grund.
Luce wirkte so glücklich und entspannt neben seinem Vater, dass Adela sich bei dem Wunsch ertappte, die Zeit anhalten zu können. Jetzt ging ein Ruck durch die dünne, aus Binsen geflochtene Schnur von Luces Angel.
»Vater!«, rief er aufgeregt. Die Weidenrute schwankte heftig in seinen kleinen Händen.
»Lass mich lieber einmal. Ich schätze, der Fisch ist zu groß für dich.« Vorsichtig nahm Francis seinem Sohn die Angel ab und zog die Schnur rasch und geschickt aus dem Wasser. Tatsächlich – an dem Dorn, der als Haken diente, baumelte ein Prachtexemplar von einem Lachs. Ein großes Tier, das wie wild mit seinem Schwanz um sich schlug und auch, als Francis es von dem Haken gelöst hatte und es in seinen Händen hielt, mit aller Kraft um seine Freiheit kämpfte. Im Sonnenlicht schimmerten seine Schuppen wie flüssiges Silber. Adela empfand ein jähes Mitleid mit dem schönen Tier.
»Vater, können wir den Fisch nicht vielleicht doch leben lassen?« Luce starrte den Lachs unter seinen langen Wimpern hervor an. Sein eben noch so aufgeregt strahlendes Gesicht war ganz traurig geworden, und seine Stimme klang dünn.
»Sicher, wenn du das möchtest.« Francis nickte und warf den Lachs zurück in den Fluss. An der Stelle, wo er untertauchte, leuchtete es kurz regenbogenfarben aus dem Wasser auf.
»Was war das denn?« Gebannt schaute Luce auf das Wasser.
»Die Schuppen des Lachses haben das Sonnenlicht zurückgeworfen«, erklärte Francis.
»Dann war es auf jeden Fall gut, dass wir ihn am Leben gelassen haben.«
»Das mag sein.« Francis lachte, während er dem Jungen den Arm um die Schultern legte und mit ihm zu Adela ging. »Auch wenn es jetzt keinen gebratenen Fisch zum Essen geben wird.«
»Na ja, es ist jetzt nicht so, dass wir deshalb gleich verhungern müssten.« Adela lächelte ihren Mann und ihren Sohn an. »Immerhin haben wir noch Fleisch und Brot.« Sie holte getrocknete Fleischstreifen aus Francis’ Lederbeutel – vor einigen Tagen hatten er und Gerard einen Hirsch erlegt – und einen Brotfladen. Auf einigen Eichenblättern lagen schon die Erdbeeren, die Luce vor einer Weile zwischen den Bäumen gepflückt hatte.
Francis brach ein Stück von dem Brotfladen ab und reichte ihn dann, zusammen mit einem Fleischstreifen, an Luce weiter. Mit in den Nacken gelegtem Kopf blinzelte er in die Sonne. »An einem Julitag, der ähnlich schön war wie der heutige, haben mein Freund Simon und ich einmal die Klosterschule geschwänzt und Lachse geangelt. Allerdings haben wir damals die Fische verspeist und sie nicht ins Wasser zurückgeworfen.«
»Erzähl doch bitte«, brachte Luce mit vollem Mund hervor.
»Ach, und wer von euch beiden hatte die Idee zum Schuleschwänzen?«, fragte Adela gespielt streng. Sie kannte Simon de Bohun bislang nur aus Francis’ gelegentlichen Berichten und hatte sich oft gewünscht, ihm zu begegnen. Er schien ein interessanter, wenn auch recht schillernder Charakter zu sein. Ein wohlhabender Edelmann, der kaum einen Kampf ausließ und der zugleich ein talentierter und empfindsamer Musiker war.
»So genau weiß ich das nicht mehr.« Francis lehnte seinen Rücken gegen einen Baumstamm und streckte die Beine von sich. »Obwohl – wahrscheinlich war es Simons Idee.«
»Wirklich?«, neckte Adela ihn.
»Ja, die verrücktesten Einfälle und die, die den größten Ärger einbrachten, hatte meistens er.« Francis grinste. »Wir schlichen uns nach dem Mittagessen davon, statt lateinische Deklinationen zu wiederholen, wie es eigentlich unsere Pflicht gewesen wäre. Wir müssen so um die zehn Jahre alt gewesen sein. Ich glaube, wir wollten eigentlich nur eine Stunde am Fluss, der durch den Wald bei dem Kloster strömte, verbringen. So lange eben, wie die unbeaufsichtigte Übungszeit dauerte. Aber dann glitt Simon auf einem Stein aus und fiel der
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