Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Länge nach ins Wasser. Pitschnass wie er war, hätten die Mönche auf jeden Fall bemerkt, dass wir uns ohne Erlaubnis davongeschlichen hatten. Deshalb beschlossen wir, wenn wir sowieso bestraft würden, vorher wenigstens noch unseren Spaß zu haben. Wir blieben bis zum Anbruch der Dunkelheit weg. Zwei oder sogar drei Lachse haben wir gefangen, sie gebraten und uns mit ihnen den Bauch vollgeschlagen. Und das war auch gut so …«
»Warum denn?«, wollte Luce wissen, der seinem Vater mit großen Augen gelauscht hatte.
»Nun ja, als Simon und ich ins Kloster zurückkehrten, befanden sich alle in heller Aufregung. Die Mönche waren sogar schon dabei, einen Suchtrupp für uns zusammenzustellen.«
»Ihre Sorge kann man ihnen nun auch wirklich nicht verdenken«, warf Adela kopfschüttelnd ein.
»Also es war eigentlich nicht das erste Mal, dass wir einen Nachmittag lang unserer eigenen Wege gingen.« Francis räusperte sich. »Ein- oder zweimal war das auch vorher schon passiert.«
»Tatsächlich?« Adela hob die Augenbrauen.
»Ja, und uns war nie etwas zugestoßen. Die Mönche hätten wissen können, dass wir ganz gut auf uns selbst aufpassen konnten.« Er lachte. »Jedenfalls bezogen wir beide erst einmal kräftig Prügel. Und danach wurden wir einen Tag lang bei Wasser und Brot eingesperrt. Deshalb war es gut, dass wir uns den Bauch mit Lachs vollgeschlagen hatten.« Er blickte Luce an. »Und trotz der Prügel und trotz des Eingesperrtseins haben wir beide unser Angelabenteuer kein bisschen bereut.« Die Augen seines Sohnes strahlten, während er sich eine Erdbeere in den Mund schob.
»Sehr erzieherisch hat diese Maßnahme also nicht gewirkt.« Adela lächelte.
»Ich fürchte nein.« Francis grinste wieder und wirkte plötzlich sehr jung und unbekümmert. »Für Simon hatte der Nachmittag am Fluss aber durchaus einen bildenden Effekt. Fische und Angeln tauchten später als Motive häufig in seinen Liedern auf. Einmal, so erinnere ich mich, beschrieb er sich als einen Lachs, der unter Aufbietung seiner letzten Kräfte gegen die Strömung ankämpft und Stromschnellen hinaufspringt, nur um zu seiner Geliebten zu gelangen.«
»Ach wirklich? Nach deinen Erzählungen dachte ich, es waren immer eher die Frauen, die sich um Simon bemühten, als umgekehrt«, bemerkte Adela trocken.
»Ein oder zwei Frauen sind ihm, glaube ich, schon unter die Haut gegangen«, erwiderte Francis nachdenklich. »Auch wenn er das, außer verschlüsselt in seinen Liedern, niemals zugegeben hätte. Von all den Frauen, mit denen er herumtändelte, hat er aber – davon bin ich überzeugt – keiner wirklich das Herz gebrochen. Denn er hat jede Frau, die sich mit ihm einließ, von Anfang an wissen lassen, dass es ihm nur um ein liebenswürdiges, heiteres Spiel ging und dass er nicht vorhatte, sich zu binden.«
Luce, den das Gerede über Simon de Bohuns Liebesleben langweilte, platzte heraus: »Warum kämpft Simon denn nicht mit dir für Prinz Richard? Du hast doch gesagt, dass er mutig ist.«
»Simon hätte sich Richard bestimmt angeschlossen, wenn er nicht vor einem Jahr ins Heilige Land gezogen wäre. Sein Vater ist dort auf einer Pilgerschaft verschollen. Deshalb sucht Simon nach ihm.«
Diese Antwort seines Vaters stellte Luce zufrieden und Simons Ansehen bei ihm wieder her. »Werde ich denn auch einmal eine Klosterschule besuchen so wie du und dein Freund?«, sprudelte er hervor.
»Ja, wahrscheinlich.« Francis warf Adela einen raschen Blick zu. Wenn dieser Krieg zu Ende ist und wir nicht unseren ganzen Besitz verlieren werden , ergänzte sie in Gedanken, was er vor dem Kind nicht aussprechen wollte.
Es sollte kein Schatten auf diesen Tag fallen! Er sollte nur Francis, Luce und ihr gehören.
»Kommt!« Adela stand auf. »Lasst uns das Feuer löschen und dann ausprobieren, wer von uns einen Stein am weitesten auf dem Wasser springen lassen kann.«
*
Allmählich könnte sich Richard Plantagenet einmal blicken lassen … Ungeduldig ging William de Thorigny in dem Empfangsraum der Burg von Sées auf und ab. Aber wenn der königliche Prinz die Wartezeit für Machtspielchen benutzen wollte – schön, dann würde er früh genug merken, dass es um seine Machtfülle inzwischen ziemlich schlecht bestellt war. Auch die Insignien von Herrschaft und Reichtum wie der vergoldete thronartige Stuhl an der Stirnwand des Saales und die bestickten seidenen Wandbehänge würden darüber nicht mehr hinwegtäuschen können. William de Thorigny verzog den
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