Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Burgberg entfernt lagerte das Heer des Königs. In der Abenddämmerung bildeten die Feuerstellen rote Lichtpunkte. Da es fast windstill war, stieg der Rauch senkrecht auf und verschmolz dann mit dem stets dunkler werdenden Himmel. Selbst auf die beträchtliche Entfernung hin glaubte Francis, Hämmern, Rufen und Pferdewiehern aus dem Lager hören zu können. Auch dort unten rüstete man sich zur morgigen Schlacht.
Richard Plantagenet bleibt noch dieser eine Kampf. Er muss siegen, sonst wird es schon eines sehr großen Wunders bedürfen, damit er den Krieg noch für sich entscheiden kann – davon war Francis ebenso wie meisten anderen Männer in der Burg überzeugt. Er versuchte, die düstere Vorahnung, die ihn überkommen wollte, abzustreifen. Während er den Wehrgang in Richtung des Burghofs entlanglief, wich er Bewaffneten aus, die große Vorräte an Pfeilen und Öl herbeischleppten. Die Schlacht würde wahrscheinlich in der Ebene geschlagen werden, aber es war gut möglich, dass auch die Burg in ihrem Verlauf verteidigt werden musste.
Als Francis seinen Schwertgurt zurechtrückte, der sich beim Gehen verschoben hatte, spürte er, wie etwas in der Tasche seines Kittels gegen seinen Oberschenkel drückte. Er nahm den kleinen Holzfisch heraus, den er dort aufbewahrt hatte, und betrachtete ihn wehmütig. In dem verfallenen Waldhaus hatte er begonnen, den Fisch für Luce zu schnitzen und ihn erst am Vorabend in Sées fertiggestellt. Der Nachmittag am Fluss und überhaupt all die Tage, die er mit Adela und seinem Sohn in der abgelegenen Gegend verbracht hatte, erschienen ihm mittlerweile nur noch wie ein ferner, schöner Traum. Ob ich den Fisch Luce wohl selbst schenken können werde?, dachte er traurig.
Vor einigen Tagen hatte er einem Kaufmann einen Brief übergeben. Darin hatte er seinen alten Freund Simon gebeten, sich um Adela und Luce zu kümmern, falls er – Francis – die Schlacht nicht überleben sollte. Wenn Simon aus dem Heiligen Land zurückkehrte, würde er dieses Versprechen erfüllen. Das wusste er.
»Hier finde ich Euch, Herr.« Gerards Stimme ließ Francis sich umdrehen. Der Schäfer war ihm nachgekommen. In dem Köcher, den er über der Schulter trug, steckten neue Pfeile. »Morgen ist es also so weit«, stellte er sachlich fest.
»Ja«, Francis nickte. Es hätte eine Menge gegeben, was er dem knorrigen, treuen Mann gerne gesagt hätte. Aber da er wusste, dass dies Gerard höchst unangenehm gewesen wäre, berührte er ihn nur am Arm und sagte: »Danke für alles!«
»Tja, das ist die erste Schlacht seit über zwanzig Jahren, an der ich teilnehme.« Gerard betrachtete ihn nachdenklich unter seinen buschigen Brauen. »Ihr werdet Eure Frau rächen.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ja, das werde ich.« Seit Francis von Blanka erfahren hatte, was William de Thorigny Adela angetan hatte, hatte er beschlossen, ihn zu töten. »Wenn es mir morgen nicht gelingt, de Thorigny umzubringen, werde ich es bei einer anderen Gelegenheit tun.«
»Meine Unterstützung habt Ihr.« Ein grimmiges Lächeln zuckte um den Mund des Schäfers.
»Gerard«, sagte Francis impulsiv, »ich frage mich immer wieder, ob es richtig war, mich an diesem Krieg zu beteiligen.«
»Wenn sich die großen Herren den Krieg erklären, kommen wir kleinen Leute kaum jemals ungeschoren davon. Ich bin überzeugt, auch wenn Ihr versucht hättet, Euch aus allem herauszuhalten, hätten Euch die Kämpfe und die Gewalt doch früher oder später eingeholt.«
»Ja, aber dann wäre ich zu Hause gewesen und hätte Adela und Luce und meine Leute beschützen können«, erwiderte Francis leise. »Ich kann es mir einfach nicht verzeihen, dass ich nicht bei ihnen war, als sie mich so dringend gebraucht hätten.«
»Wer weiß denn, ob Euch das gelungen wäre?« Gerard seufzte. »Vielleicht wäret Ihr ja auch bei dem Versuch, Euer Gut zu verteidigen, getötet worden. Quält Euch nicht länger mit Dingen, die nicht mehr zu ändern sind, Herr.« Sein Blick fiel auf den geschnitzten Fisch, den Francis immer noch in der Hand hielt. »Der ist für Euren Sohn, nicht wahr?«, fragte er und lächelte.
»Ja«, erwiderte Francis. »Gib du Luce bitte das Spielzeug, falls ich selbst dazu nicht mehr in der Lage sein sollte, und sag ihm, dass ich ihn sehr liebe.« Seine Augen wurden feucht. Er war Gerard dankbar, dass dieser nur nickte und sagte: »Lasst uns versuchen, noch etwas zu essen zu bekommen, ehe wir uns schlafen legen.«
*
Ja, er würde
Weitere Kostenlose Bücher