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Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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ernster, entschlossener Zug – aber sie war immer noch schön.
    Unter ihrem Schleier war eine blonde Haarsträhne hervorgerutscht, die Ann nun ungeduldig zurückschob. Sie hatte das blonde Haar ihrer Mutter und deren braune Augen geerbt. Ihre Gesichtszüge ähnelten denen ihres Vaters, waren aber viel weicher, was sie stolz und zugleich anziehend wirken ließ. Adela erinnerte sich wieder, dass ihre Mutter einmal lachend gesagt hatte, Ann gleiche einer veredelten Rose – sehr besonders, aber auch empfindsam und dem Leben wahrscheinlich nicht so gut gewachsen wie Adela, die hübsch und widerstandsfähig wie eine Heckenrose sei.
    »Ann«, rief sie leise. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, die Schwester mit ihrem Nonnennamen anzusprechen.
    Klappernd fiel das Sieb auf den Tontopf. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck fuhr Ann zu ihr herum. Ihre Überraschung wich einem strahlenden Lächeln. »Adela, was bringt dich denn hierher? Wie schön, dich zu sehen. Komm, kleine Schwester, lass dich einmal anschauen.« Lachend umarmte Ann sie und schob sie ins Licht. Doch ihre Fröhlichkeit verschwand sofort, und sie erschrak. Sanft strich sie Adela über die Wange, während sie fragte: »Um Gottes willen, meine kleine Schwester, was ist geschehen?«
    »Francis …«, sagte Adela. Doch kaum hatte sie seinen Namen genannt, brachen all die Gefühle, die sie in sich verschlossen hatte, aus ihr heraus, und sie begann haltlos zu weinen. Ann führte sie zu einer Bank an der Vorderseite der Hütte. So, wie sie es früher getan hatte, wenn Adela sich ein Knie aufschlug oder wenn sie ein Spielzeug verlor und die jüngere Schwester in Tränen ausbrach, wiegte sie sie tröstend in den Armen. »Ja, ist ja gut, Adela, weine dich erst einmal aus«, flüsterte sie.
    Allmählich beruhigte sich Adela so weit, dass sie Ann, wenn auch immer wieder von heftigen Schluchzern unterbrochen, von Francis’ Tod, dem Überfall und ihrer Vergewaltigung durch William de Thorigny erzählen konnte. Ann hörte ihr schweigend zu, aber Adela konnte ihr Mitgefühl spüren. Dies gab ihr die Kraft, all das Schreckliche, das sie erlebt hatte, in Worte zu fassen.
    »Ich hoffe, du wirst mir jetzt nicht sagen, das, was Francis, Luce und mir zugestoßen ist, sei Gottes Wille gewesen«, murmelte Adela schließlich und lehnte ihren Kopf an die Schulter ihrer Schwester. Sie fühlte sich zu Tode erschöpft.
    »Nein, das Böse ist niemals Gottes Wille.« In Anns Augen schimmerten zornige Tränen. »Ich wünschte so sehr, ich könnte etwas sagen oder tun, was dir hilft und dich tröstet …«
    »Ich bin hierhergekommen, weil ich deine Hilfe brauche. Könnten Luce und ich eine Weile im Kloster unterkommen? Ich arbeite natürlich für unseren Unterhalt und …«
    »Nein, das geht auf gar keinen Fall!«, unterbrach Ann sie heftig.
    »Ann, Luce ist krank. Ein schlimmer Husten plagt ihn. Er muss sich erholen. Wenn du mir nicht hilfst, weiß ich nicht mehr weiter.« Adela richtete sich auf und rückte von ihrer Schwester ab. Kann es sein, dass ich mich so sehr in ihr getäuscht habe?, dachte sie verzweifelt. Ist es Ann etwa unangenehm, ihre Äbtissin mit der Not ihrer Schwester zu behelligen? Oder warum verhält sie sich plötzlich so abweisend?
    » Adela, du verstehst nicht …« Ann streichelte ihre Hände. »Ich würde dich und Luce liebend gern hier bei mir wissen. Aber ihr könnt unmöglich im Kloster bleiben. Eine Base William de Thorignys ist seit einigen Wochen unsere Äbtissin.«
    »Nein!«
    »Doch, leider ist es genau so.« Ann seufzte. »Wir Nonnen wollten Héloise de Thorigny wirklich nicht als Äbtissin haben, nachdem unsere vorherige Äbtissin, Mutter Adelaide, starb. Aber der König hat uns dazu gezwungen, sie zu akzeptieren. Die Familie de Thorigny steht zurzeit bei Henry in hohem Ansehen, und die Position einer Äbtissin ist sehr erstrebenswert.« Spott und Bitterkeit schwangen in ihrer Stimme mit.
    »Aber dann bist du doch hier auch nicht mehr sicher. Sobald William herausfindet, wer du bist, wird er dich quälen und demütigen«, stieß Adela erschrocken hervor.
    »Keine der Nonnen weiß genug von mir, um mich an William de Thorigny verraten zu können. Unser altes Leben hat in einem Kloster schließlich keine Bedeutung. Außerdem sind wir ohnehin dazu angehalten, nur wenig miteinander zu sprechen. Die beiden einzigen Nonnen, denen ich recht viel von mir erzählt habe, meine alte Novizenmeisterin und Schwester Agatha, die mich in Kräuterkunde

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