Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
sein Kind nicht austragen. Es gab Mittel und Wege, um es loszuwerden. Ein Trank aus Raute und Quendel half, eine unerwünschte Schwangerschaft zu beenden. Noch würde sie diese Pflanzen finden können.
Sie hatte eben ihr Bündel umgehängt und wollte sich auf die Suche machen, als sie den Wind auf ihren Wangen spürte. Er schien William de Thorignys Worte mit sich wegzutragen, und nun hörte sie nur noch das Rascheln des Grases. Adela kam wieder zu sich und hielt inne. In den Tagen, als Francis bei ihr und Luce in dem verfallenen Waldhaus gewesen war, hatten sie sich einige Male geliebt. War es nicht ebenso gut möglich, dass sie von ihm schwanger war? Was sollte sie nur tun? Gequält schluchzte sie auf.
An die hintere Wand der Kapelle – das sah Adela jetzt – über einem kleinen Altar, auf dem welke Feldblumen in einem Holzbecher standen, war das Bild einer Madonna in leuchtenden Farben gemalt.
Bitte , schoss es Adela durch den Kopf, gib mir ein Zeichen, ob ich Francis’ Kind in mir trage oder das des Mannes, den ich zutiefst hasse. Doch die Madonna blickte sie nur ernst und unverwandt aus ihren blauen Augen an. Schließlich, als ein leichter Regen einsetzte, wandte sich Adela von dem Bild ab und schleppte sich weiter.
Der Weg führte den Hügel hinab durch Wiesen, auf denen Sträucher und verwilderte Obstbäume wuchsen. Daran schloss sich ein weiteres Waldstück an. Schließlich mündete der Weg in eine schlammige Straße, in die Karrenräder tiefe Furchen eingegraben hatten. Normalerweise hätte sich Adela einen Pfad abseits der Straße gesucht, um ihre Reise fortzusetzen. Auf den Hauptverbindungswegen musste sie nämlich immer mit in Gruppen umherziehenden, plündernden Soldaten rechnen. Doch ein Pfad durch den Wald hätte einen weiten Umweg bedeutet, und sie war einfach zu müde, um diesen auf sich zu nehmen.
Gegen Mittag hörte es wenigstens auf zu regnen, und der Himmel klarte auf. Ein weißlicher Dunst lag über der herbstlichen Landschaft. Eine ganze Weile war Adela kaum jemandem begegnet. Doch als sie nun eine Biegung hinter sich ließ, sah sie vor sich ein gutes Dutzend Menschen, darunter einige Kinder. Die Leute waren ärmlich gekleidet. Ein braunhaariger Mann führte ein mageres Maultier am Halfter, auf dessen Rücken Säcke befestigt waren und das zusätzlich noch einen beladenen Karren ziehen musste. Zwei Frauen zerrten einen kleinen, mit Körben bepackten Wagen hinter sich her. Allem Anschein nach eine Familie, die der Krieg aus ihrem Zuhause vertrieben hatte.
Adela hatte die Gruppe fast erreicht, als sie hinter sich Hufgetrappel vernahm. Gleichzeitig hörte sie eine barsche Männerstimme rufen: »Aus dem Weg, Gesindel! Macht Platz für meine Herrin.«
Die Frauen und die Kinder hasteten an den Wegrand. Auch Adela beeilte sich, von der Straße wegzukommen. Der braunhaarige Mann versuchte, den Karren zur Seite zu lenken, doch das Maultier schaffte es nicht, die Räder aus den Furchen zu bekommen. Er und ein dünner, älterer Mann stemmten sich gegen die Rückseite des Karrens, um dem Maultier zu helfen.
Die Reitergruppe war inzwischen ganz nah herangekommen. Die Bewaffneten waren vornehm gekleidet, und Adela sah, dass sich zwischen ihnen eine rot und golden bemalte Sänfte befand. »Jetzt macht schon!«, brüllte der vorderste Reiter wieder, ein stämmiger Kerl, in dessen breitem Gesicht ein kurz gestutzter dunkler Bart wuchs.
Die beiden Männer stemmten sich noch einmal mit aller Kraft gegen das Gefährt. Das Maultier zog in seinem Geschirr. Plötzlich ruckte der Karren vorwärts und kam aus der Furche heraus. Doch der ältere Mann verlor das Gleichgewicht und stürzte mit einem Schmerzenslaut zu Boden. Adela hastete zu ihm und beugte sich zu ihm hinab.
»Mein Gott, mein Knöchel«, jammerte er.
»Stützt Euch auf mich.« Sie nickte ihm aufmunternd zu. Der andere Mann war damit beschäftigt, das Maultier, das nervös wieherte und ausschlug, festzuhalten. Doch die beiden Frauen eilten ihr zu Hilfe.
»Los, weg da«, brüllte der Bewaffnete wieder.
Adela verlor die Geduld. »Seht Ihr denn nicht, dass der alte Mann verletzt ist?«, schrie sie ihn an. »So gebt ihm doch etwas Zeit. Schließlich gehört die Straße nicht nur Euch.« Sie und die beiden Frauen schafften es schließlich, den Alten auf die Füße zu ziehen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte Adela, dass der Vorhang im Fenster der Sänfte beiseitegeschoben wurde. Eine Dame mit einem länglichen, blassen Gesicht beugte sich heraus.
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