Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
merkte, dass Ann etwas zu Luce sagen wollte, doch sie hielt ihre Schwester mit einer raschen, abwehrenden Geste davon ab. Sie wollte nicht, dass Luce gezwungen würde, sich von ihr zu verabschieden. Also küsste sie ihren Sohn nur schweigend. Dann reichte sie Gerard die Hand, streichelte Guy und hastete zur Tür, denn sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen, und wenigstens das wollte sie Luce ersparen.
Adela hatte schon die Klinke heruntergedrückt, als sie glaubte, ihren Sohn »Mutter« sagen zu hören. Sie wirbelte herum und fürchtete, sich das nur eingebildet zu haben. Doch jetzt sah er sie an. »Du kannst den Fisch haben, den mir Vater geschnitzt hat«, meinte er ein wenig unsicher. »Ich habe ja das Kamel zum Spielen.«
»Ich werde gut auf den Fisch aufpassen«, flüsterte Adela. Behutsam nahm sie das kleine Holztier entgegen und schob es in ihr Bündel. Plötzlich schlang Luce seine Arme um sie und klammerte sich an sie. Eine Weile hielten sie sich fest. Dann zog Ann Adela sanft, aber bestimmt von Luce weg. »Du musst jetzt gehen, sonst machst du es für den Jungen nur noch schwerer«, sagte sie leise.
»Luce, deine Tante wird gut auf dich Acht geben.« Adela versuchte zu lächeln. Luce nickte stumm. Dann floh Adela aus der Kammer.
»Schwöre mir, dass du Luce beschützen wirst.« Schluchzend wandte sich Adela an Ann, die ihr gefolgt war.
»Ja, ich schwöre es dir. Bei meinem Leben und bei meiner Seele.« Ann nickte ernst. »Lass mir eine Nachricht zukommen, sobald du sicher bei Nicolas eingetroffen bist.«
»Das werde ich.« Auch die beiden Schwestern umarmten sich noch einmal zum Abschied. Adela wusste, dass sie Ann vertrauen konnte. Trotzdem fragte sie sich, noch während sie das Kloster verließ, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, sich von Luce zu trennen.
*
Diese Frage quälte Adela auch während der nächsten Tage. Das Wetter war einigermaßen beständig. Neblige, kalte Morgen gingen in graue Tage über. Aber zumindest regnete es nur selten. Trotzdem fühlte sie sich oft zu Tode erschöpft und elend, wenn sie ihren Schlafplatz in einer Klosterherberge oder der Scheune eines Bauernhofes verließ.
Sechs Tage nachdem Adela sich von Luce getrennt hatte, schleppte sie sich auf einem Waldweg einen Hügel hinauf. Der Weg führte zu einer Kapelle, die auf einer lang gezogenen, kahlen Kuppe stand. Vor dem unverputzten, aus groben Feldsteinen errichteten kleinen Gebäude befand sich eine Bank. Müde ließ sich Adela darauf sinken. Die Sicht war klar und eröffnete einen weiten Blick über das umliegende Land. Zwei Tage werde ich bestimmt noch benötigen, bis ich den Hafen von Barfleur erreiche , dachte sie. Hoffentlich hatten bis dahin noch keine Herbststürme eingesetzt. Denn dann würde die Schifffahrt über den Kanal eingestellt werden. Manchmal konnte das schlechte Wetter monatelang andauern.
Adela beugte sich zu ihrem Bündel hinunter, das vor ihr im Gras lag. Sie wollte die mit Wasser gefüllte Kalebasse herausnehmen, denn der steile Weg hatte sie durstig gemacht. Doch eine plötzliche Bewegung in ihrem Leib ließ sie innehalten. Nein!, durchfuhr es sie. Das kann nicht möglich sein. Ich muss mich getäuscht haben.
Vorsichtig lehnte sie ihren Rücken gegen die Kapellenwand. Sie wagte kaum zu atmen. Sie hatte sich fast schon wieder beruhigt, als sie die Bewegung ein weiteres Mal spürte. Ganz deutlich jetzt, so dass kein Irrtum möglich war. Sie war schwanger. Ein Kind bewegte sich in ihrem Leib.
Natürlich, dachte Adela benommen. Während der letzten Monate war ihre Blutung ausgeblieben. Sie hatte sich deswegen kaum Gedanken gemacht, denn ihre Regel war häufig unregelmäßig gewesen. Außerdem hatte sie geglaubt – wenn sie überhaupt einmal daran gedacht hatte –, dass ihre Blutung vielleicht auch wegen der Vergewaltigung und der Unterleibsverletzungen, die sie dabei erlitten hatte, ausgesetzt hatte. Wie hatte sie nur so dumm sein können!
Adelas Körper verkrampfte sich bei der Vorstellung, von William de Thorigny schwanger zu sein. Für einen Augenblick kam es ihr vor, als ob er wieder auf ihr läge und immer wieder brutal sein Glied in sie rammte, bis sie das Gefühl hatte, ihr Leib würde entzweigerissen. Ihr wurde übel. Sie glitt von der Bank und erbrach das Wenige, das sie am frühen Morgen zu sich genommen hatte, ins Gras.
Ich verspreche Euch – ehe ich mit Euch fertig bin, werdet Ihr um Gnade betteln , glaubte sie ihn flüstern zu hören.
Nein! Sie würde
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