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Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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sollen.
    »Hört sofort auf, euch zu prügeln«, rief sie und eilte auf die Streithähne zu. Sie zu trennen war ebenso schwierig, wie zornige junge Hunde auseinanderzubringen. Doch schließlich gelang es ihr, die beiden voneinander wegzuzerren, sie an ihren Ohren zu packen und in das Behandlungszimmer des Spitals zu führen, wo sie ihre Wunden verarztete.
    Luce und Claude hatten einiges an Schrammen und Prellungen abbekommen. Nachdem Ann auch den letzten blutigen Striemen mit einer entzündungshemmenden Lösung abgetupft hatte, sagte sie zu Claude, er könne gehen. Dann wandte sie sich an Luce und meinte knapp: »Du kommst mit mir in den Kräutergarten. Als Strafe für die Prügelei wirst du mir dabei helfen, Unkraut zu jäten.«
    »Ja, Schwester Fidelis«, antwortete Luce gehorsam. Unter seinen langen Wimpern warf er ihr einen raschen Blick zu, um abzuschätzen, ob ihre Strenge ernst gemeint oder nur gespielt war.
    Doch Ann hatte sie nicht vorgetäuscht. Im Kräutergarten forderte sie ihren Neffen auf, sich zu ihr auf die Bank vor der Hütte zu setzen. Es war einer jener späten Oktobertage, an denen noch einmal der Sommer zurückzukommen schien, und so warm, dass Ann die Ärmel ihrer Kutte hochkrempelte und ihren Schleier zurückschob. Immer noch unsicher, was er von ihr zu erwarten hatte, baumelte Luce mit den Beinen und schaute einem Spinnwebfaden nach, der durch die klare Luft wehte. Wie sollte sie am besten beginnen?
    »Luce«, sagte Ann schließlich, »würdest du mir bitte sagen, was der Grund für diese Prügelei war?«
    »Nein, es tut mir leid, aber das kann ich nicht.« Er schüttelte entschieden den Kopf.
    »Hat Claude dich gehänselt, weil du ein Waisenjunge bist?«
    Luce erwiderte nichts. Aber an der Art, wie sich seine Nasenflügel verächtlich blähten, erkannte Ann, dass sie mit dieser Vermutung wahrscheinlich richtig lag.
    Ann seufzte. »Luce, Äbtissin Héloise ist zwar damit einverstanden, dass du im Kloster lebst. Aber sie wird es nicht dulden, dass du dich mit dem Sohn eines Adligen schlägst.«
    »Ach, Claude ist dumm, aber er wird mich schon nicht verraten.« Ihr Neffe zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Und wenn mich die Äbtissin nicht mehr hierhaben will, gehe ich eben mit Gerard und Guy weg.«
    »Das möchte ich aber nicht«, sagte Ann entschieden. »Und deine Mutter würde es bestimmt auch nicht gutheißen.« Sie schwieg, plötzlich unsicher. Sie wollte Luce nicht damit belasten, dass sie schon mehr als zwei Jahre nichts mehr von Adela gehört hatte.
    Wenn das Leben gerecht wäre, würde Luce mit den adeligen Jungen und den Söhnen von Rittern in die Klosterschule gehen und dort lernen, statt im Stall zu arbeiten und sich sonst im Kloster nützlich zu machen , dachte sie. Sie hatte ihm zwar Lesen und Schreiben beigebracht, und der Schmied Gilbert, der ihn gern mochte, zeigte ihm gelegentlich, wie er mit Pfeil und Bogen oder einem Holzschwert kämpfen konnte. Aber wahrscheinlich würde Luce niemals zum Ritter geschlagen werden.
    Luce hatte eine Biene beobachtet, die um eine der Rosen, die die ersten kalten Nächte überstanden hatten, herumschwirrte. Jetzt wandte er sich ihr zu und schenkte ihr ein vorsichtiges Lächeln. »Sollte ich dir nicht beim Jäten helfen?«
    »Ach, geh erst einmal in die Hütte und hol dir eine Honigwabe.«
    »Du bist mir nicht mehr böse?«
    Ann schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich bitte dich, dass du dich in Zukunft besser beherrschst.«
    Sie blickte ihm nach, wie er zur Tür der Hütte hüpfte. Wenn er tatsächlich den Jähzorn ihres Vaters geerbt hatte, würde ihm das schwerfallen.
    Ein Mann trat durch die Öffnung in der Hecke. Er trug ein langes schwarzes Gewand, so dass Ann ihn zuerst für einen Priester oder einen Mönch hielt. Doch gleich darauf erkannte sie ihren Irrtum. Seine Kleidung war nicht streng und schlicht geschnitten wie die eines Geistlichen, sondern die Stofflagen umspielten ihn fließend. Außerdem war seine Art zu gehen alles andere als würdevoll. Er bewegte sich eher leichtfüßig wie ein Tänzer. Dabei schien er alles um sich herum interessiert zu beobachten. Sein ebenmäßiges Gesicht unter dem dunklen Haar wirkte lebhaft, zugleich kraftvoll und doch empfindsam. Was für ein seltsamer Mann , ging es Ann durch den Kopf.
    Nun stand er vor ihr und verbeugte sich. Seine weite Armbewegung schien den Kräutergarten und den blauen Herbsthimmel zu umfassen. »Was für ein paradiesischer Ort«, sagte er. »Und welch schöne Dame ist seine

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