Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
bin, habe ich meine Zweifel, dass das, was zu Gottes Willen erklärt wird, auch tatsächlich immer Sein Wille ist.« Simons Stimme blieb ruhig, aber Ann konnte den unterdrückten Zorn darin wahrnehmen. »Oft wird damit nämlich nur die Gier der Menschen nach Macht und Reichtum verbrämt.«
»Ich will nicht ausschließen, dass es manchen Kreuzfahrern auch um Macht und Reichtum geht«, erwiderte Ann mit Nachdruck. »Aber die meisten handeln doch aus der Sorge, die heiligen Stätten der Christenheit nicht den Heiden zu überlassen. Der heilige Bernhard …«
»Der heilige Bernhard mag in vielen Belangen ein kluger Mann gewesen sein. Aber was den Kreuzzugsgedanken betrifft, war er einfach nur dumm und verbohrt.« Simon winkte ab. »Ich habe im Orient nicht wenige so genannte Heiden kennen gelernt, die ich viel ehrlicher und frömmer fand als so manchen Christen.«
Ehe Ann etwas erwidern konnte, stand er auf, schwang sein Bündel über seine Schulter und verbeugte sich vor ihr. »Ich werde jetzt nach Luce suchen. Jedenfalls habt Ihr mich zu einem neuen Lied inspiriert. Wofür ich Euch sehr dankbar bin. Es wird von einer Frau handeln, die viel zu schön ist, um ihr Leben als Nonne zu fristen.«
Ann starrte ihm verwirrt und aufgebracht nach, während er durch den Garten davonging. Wieder waren seine Bewegungen leicht wie die eines Tänzers.
*
»Nun, hast du etwas über Adela herausgefunden?«, fragte William de Thorigny gespannt den Späher. Er hatte seine Schwertkampfübungen unterbrochen, um möglichst schnell mit dem Mann zu sprechen. William war recht zufrieden mit seinen Fortschritten. Es hatte ihn beflügelt, sich bei jedem seiner Hiebe und Stiche vorzustellen, dass er damit einen Angehörigen von Alines verhasster Sippe träfe.
»Ich habe eine Spur entdeckt, aber sie leider bald wieder verloren, Herr.« Am Rand des Gutshofes wiegte der Späher, ein massiger, kampferprobter Mann Ende dreißig, bedauernd seinen narbigen Schädel.
»Was heißt das?«
»Ich konnte herausfinden, dass Adela versucht hat, sich in einem Bordell in Winchester als Hure zu verdingen. Sehr erfolgreich war sie dabei allerdings nicht.« Der Späher grinste breit. »Vor ihrem ersten Freier lief sie schreiend davon. Es hat die Huren einige Mühen gekostet, den Kerl wieder zu beruhigen.«
»Was für ein empfindsames Weib.« William erwiderte das Grinsen. Ob dieser Freier Adela daran erinnert hatte, wie er – William – sie vergewaltigt hatte? Wenn ja, dann sollte ihn das freuen. »Was konnten dir die Huren noch über sie sagen?«
»Leider so gut wie nichts, außer dass sie ihre kranke Tochter mitgebracht und wohl eine Zeit lang Geld mit dem Spinnen von Wolle verdient hat. Glaubt mir, ich habe die Frauen richtig eingeschüchtert«, kam der Späher einer Frage Williams zuvor. »Eine von ihnen, Mary, hatte Adela erst einige Tage vorher kennen gelernt. Sie wussten tatsächlich kaum etwas über sie.«
»Das ist jetzt aber hoffentlich nicht alles, was du mir mitzuteilen hast?«, fuhr William ihn an.
»Nein, Herr. Ich hörte mich bei den Webereien um, für die Adela arbeitete, und fand auch eine Frau, die ihre Tochter eine Weile betreut hat. Die wiederum konnte mir sagen, wo sie und das Kind wohnten. Was mir für sich genommen aber leider auch erst einmal nicht weiterhalf, denn die Wirtin war einfach froh, dass Adela und das Balg verschwunden waren, und hatte keine Ahnung wohin. Sie wollte die beiden ohnehin hinauswerfen. Aber eine ihrer Nachbarinnen ist sich ziemlich sicher, dass sie Adela und das Kind – wenige Stunden, nachdem Adela vor Euch floh – aus dem Haus kommen sah. Die beiden hätten sich auf einem wartenden Karren versteckt. Wegen des strömenden Regens konnte die Frau nicht viel erkennen. Aber eine Person in einem dunklen Mantel habe sie begleitet. Ob Mann oder Frau, wusste sie nicht zu sagen.«
»Das würde also bedeuten, dass Adela bei ihrer Flucht Hilfe bekam«, meinte William nachdenklich.
»Ja, Herr, das glaube ich auch.« Der Späher nickte.
Schon der Umstand, dass die Pferde genau im passenden Moment gescheut hatten, war merkwürdig gewesen, überlegte William. Francis, ihr verwünschter Gatte, hatte für Richard gekämpft. Und Richard hatte ihn in Bayeux beschuldigt, Frauen vergewaltigt zu haben.
»Soviel ich weiß, befindet sich Richard auf dem Weg nach England.« William wandte sich wieder dem Späher zu. »Es würde mich nicht wundern, wenn seine Anhänger bei Adelas Flucht mitgemischt hätten. Folge Richard und
Weitere Kostenlose Bücher